Was kostet die Welt
ich kann ihm einfach nicht folgen. Er schmeiÃt mit Fachbegriffen um sich, die ich noch nie gehört habe, und das in einer Geschwindigkeit, die meine Ohren schlackern lässt. Ein önologisches Feuerwerk, ein wissenschaftlicher Vortrag ohne Punkt und Komma, die totale Inputhölle.
Ob das menschliche Gehirn wohl durch die gezielte Bombardierung mit Fakten einfach kollabieren und schlieÃlich absterben kann?
Ich fürchte, ich werde es bald herausfinden.
Während ich mir noch zu merken versuche, dass die Regionsbezeichnung »Mosel-Saar-Ruwer« aufgrund der neuesten
Etikettiervorschriften aus Brüssel verschwinden und durch die einheitliche Bezeichnung »Mosel« ersetzt werden wird und was das alles für Probleme und Irritationen für Erzeuger und Verbraucher mit sich bringt, ist Flo schon längst bei dem groÃen Weinskandal Mitte der Achtziger, welcher, wie ich erfahre, eigentlich ein österreichischer Skandal war, in den deutsche Firmen aber verwickelt wurden, weil sie von den Ãsterreichern gepanschten Wein gekauft und mit ihrem eigenen Wein vermischt hatten, um die immense Produktion für Supermärkte leisten zu können, was den Ruf sowohl des österreichischen als auch des deutschen und hier insbesondere des rheinland-pfälzischen Weins über lange Jahre ruinierte.
»Stichwort Frostschutzmittel!«, ruft Flo.
Die neue Winzergeneration habe allerdings wieder ein gutes Image, weil sie der Massenproduktion abgeschworen und in den letzten zehn bis zwanzig Jahren qualitativ sehr hochwertige Weine hergestellt habe. Er sagt nicht »wir«, dennoch liegt eine gehörige Portion Stolz in seiner Stimme. Es ist offensichtlich, wie sehr er sich mit seinem Beruf und der Familientradition identifiziert. Es scheint hier nicht um die Herstellung eines alkoholischen Getränks zu gehen, sondern um ein Kunsthandwerk. So eine Art Arts-and-Crafts-Haltung.
Flo sagt, dass sein Vater als Winzer seiner Meinung nach alles richtig gemacht hat und er den Betrieb in Zukunft genau so weiterführen will.
»Qualität statt Quantität«, sagt er, kneift ein Auge zusammen und schnalzt mit der Zunge. »Man wird zwar nicht gerade reich dabei, aber wenn du so einen richtig guten Wein hergestellt hast, das ist das Geilste überhaupt. Mit den groÃen Discountern können wir sowieso nicht konkurrieren.
Aldi, Lidl und wie sie alle heiÃen, die den Wein für 1,99 ins Regal stellen. Das ist Preisdumping, da können wir nicht mithalten. Deshalb backen wir hier lieber kleine Brötchen.«
Â
Als Gegenbeispiel erwähnt er den Nachbarn, dessen Reputation im Ort gelitten hat, seit er seine Trauben sehr günstig an eine Genossenschaft verkauft.
»Peter Mertes, kennst du vielleicht.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ja, nee, glaub nicht.«
»Die machen dieses ganze Fuselzeug, Liebfrauenmilch und so.«
»Ah ja, schon mal gehört.«
»Und dann gibtâs noch diesen ganzen Rotz wie Kröver Nacktarsch, Zeller Schwarze Katze, Trarbacher Liebeskummer, Piesporter Goldtröpfchen und so weiter. Das sind fast alles Verschnitte, echte FlieÃbandproduktion aus der Fabrik. Mit gutem Weinbau hat das nicht mehr viel zu tun. Die kaufen überall billig die Trauben und panschen sich da aus unterschiedlichen Rebsorten oder unterschiedlichen Jahrgängen ein standardisiertes Gesöff zusammen. Geschmacklich unterste Schublade und keine Konkurrenz zu unseren Weinen. Aber die drängen halt sehr aggressiv auf den Markt. Und die Kunden gewöhnen sich an die niedrigen Preise. Und an die niedrige Qualität.«
»Ja, kacke«, sage ich.
»Unser Nachbar macht das nur nebenberuflich, deshalb kann er sich das leisten. Aber alle anderen leiden darunter, weil es die Preise kaputt macht. Der Weinpreis ist im Moment absolut im Keller. Das ist wie mit der Milch, das wird immer schlimmer. Du hast ja sicher die ganzen brachliegenden
Flächen gesehen, an denen wir vorhin auf der Fahrt hierher vorbeigekommen sind.«
»Ja, glaub ja«, sage ich, obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, was er meint.
»Teilweise sind die auch schon wieder bewaldet. Als ich klein war, waren das alles noch Weinhänge. Die Besitzer sind entweder pleitegegangen oder in Rente, ohne einen Nachfolger zu finden. Da wird ein ganzer Berufsstand dezimiert. Und da wiederum hängen ja auch andere Dinge dran. Früher gabâs hier in Renderich zum Beispiel noch einen
Weitere Kostenlose Bücher