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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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Schon zum zweiten Mal an diesem Tag wird vor mir das Landleben verteidigt, ohne dass ich etwas dagegen gesagt hätte. Diese unaufgeforderte Erklärung, die vorauseilende Rechtfertigung, genau wie beim Thema Fleischessen, keine Ahnung, welchem Bedürfnis das entspringt, ich tippe auf pure Unsicherheit oder Katholizismus oder so was. Außerdem habe ich jetzt wirklich keine Lust, mit Flo über Kindererziehung zu diskutieren. Wobei ich auf dieses leidige Thema fast schon gewartet habe, das musste ja früher oder später kommen. Und wahrscheinlich würde ich mir auch schnell Kinder anschaffen, wenn ich hier leben müsste. Sonst hat man ja gar nichts zu tun.
    Â»Schatz, mir ist so langweilig, und du beginnst auch langsam, mich anzuöden. Wir sollten uns mal wieder ein bisschen Leben in die Bude holen.«
    Â»Gute Idee, Mausi. Ich hab dich auch schon ziemlich satt. Erst mal ein Haustier, oder lieber doch gleich ein Balg?«
    Und wenn das Kind dann endlich da ist, muss man sich für immer Sorgen machen, weil man seine Gene in die Menschheitsgeschichte geschleudert hat und nun nie wieder nur für sich selbst verantwortlich sein wird. Das Kind kriegt dann ja auch wieder Kinder, die Enkel kriegen Enkel, und so weiter - man hat sich im wahrsten Sinne des Wortes fortgepflanzt, und plötzlich ist da die Furcht vor Strahlen, Viren, Keimen und Kometen, vor Päderasten und Verkehrsrowdys, vor dem Klimawandel und der Überalterung der Gesellschaft und so’nem Zeug. Auf einmal ist Sicherheit wichtig, Stabilität , der Status quo . Man wird immer konservativer, nicht aus Überzeugung, sondern aus Furcht. Die Nachrichten werden immer unerträglicher, weil die Welt ja immer brutaler wird, und jedes Mal, wenn man in Flugzeugen oder Mietwagen sitzt, kriegt man ein ganz schlechtes
Gewissen, weil man dazu beiträgt, dass die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt und die Atmosphäre verpestet wird, was die Kinder und Enkel später ausbaden müssen, die armen unschuldigen Kleinen.
    Ob es hier Ärzte gibt, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen?
    Und wie sie es wohl mit der Scheidung handhaben, ob man da gleich aus dem Dorf gejagt wird?
    Â 
    Auf der gegenüberliegenden Flussseite breitet sich auf dem Hügel eine große Anlage mit mehreren länglichen, flachen Bauten aus. Flo bemerkt, dass ich sie betrachte, und liefert sogleich sämtliche Informationen über den Mont Royal und das dort befindliche Amt für Geoinformationswesen. Das hat irgendwas mit Wetterdienst zu tun, aber auch mit der Bundeswehr. Die Begriffe »Luftwaffe«, »Verteidigung« und »Kalter Krieg« fallen.
    Ich verstehe die Zusammenhänge nicht, und ich höre auch nicht mehr richtig hin. Ich kann seine Art zu reden einfach nicht mehr ertragen, dieses monotone, niemals aufhörende Gebrabbel, das immer vom einen zum anderen kommt.
    Er faselt irgendwas über die Verwüstung der Soundsoburg durch französische Soundsotruppen Ende des soundsovielten Jahrhunderts, da drehe ich mich um und frage Judith, ob ich ihr helfen kann.
    Sie ist gerade dabei, die steinerne Mauer trockenzuwischen und eine Decke darauf auszubreiten.
    Â»Du kannst den Picknickkorb aus dem Wagen holen.«
    Ich gehe zum Wagen und hole den Picknickkorb. Es ist so ein geflochtenes Margarine-Werbung-mäßiges Ding, vollbeladen mit Keksen, Brot, Obst, Wasser und, natürlich, einer Flasche Weißwein.

    Flo sieht etwas konsterniert aus, verdutzt, verunsichert, eben wie jemand, der mitten im Satz unterbrochen und stehengelassen wurde. Auf seinen Schenkeln trommelnd, trottet er zur Mauer und zupft unbeholfen an der Decke herum. Wie ein Kind, über dessen Witz niemand gelacht hat, das sich die Schmach aber nicht anmerken lassen will und sich auffällig unauffällig irgendeine Ersatzbeschäftigung sucht.
    Â 
    Wir sitzen auf der Mauer, lassen die Füße baumeln und essen Kekse. Nach ein paar wortlosen Minuten greift Flo die Unterhaltung vom Mittagstisch wieder auf.
    Â»Soso, dann frönst du also dem Müßiggang!«, sagt er mit seinem norddeutschen Akzent, wedelt tadelnd mit dem rechten Zeigefinger in der Luft herum und grinst. »Ein richtiger Bohemien, oder was!«
    Â»Hast du eigentlich irgendwelche Verwandtschaft im Norden oder so?«, will ich jetzt mal von ihm wissen.
    Â»Ach so, nee«, sagt er, »ich find nur den Dialekt so geil. Werner Brösel und so, da war ich früher

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