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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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»Yanni«, obwohl das kaum kürzer ist als Yannik, aber Verniedlichungen sind wichtig, und Yanni lächelt ihnen aus seinem riesigen Chefsessel zu, von dem aus er im World Wide Web surft, an der Wand ein Motörhead-Poster, über das sie auch schon gestritten haben, weil Andrea gehört hat, dass der Sänger ein übler Macho ist, vielleicht
sogar ein Nazi, aber Yannik hat sich durchgesetzt, das hier ist sein Reich, und er findet Motörhead total cool, er hat zwar nur eine Best-of-CD von ihnen, die er sich so gut wie nie anhört, aber Lemmy ist ein echt authentischer Rock’n’ Roller,’ne richtige Charaktertype, neben dem Drucker steht ein Gitarrenständer mit einer schicken Gibson Les Paul, von der einmal im Monat der Staub gewischt wird, und im Schlafzimmer haben sie sich ein richtiges Kuschelnest gebaut, auf dem Nachtschränkchen Bilder von sich selbst in verliebten Posen, sonntags frühstücken sie meistens im Bett, obwohl ihnen das eigentlich gar keinen Spaß macht, weil dann immer alles voller Krümel ist, aber keiner von beiden würde dieses Ritual jemals infrage stellen, das gehört irgendwie dazu, so wie er auch immer die Ober- und sie die Unterseite des Brötchens nimmt, ist jetzt einfach so, wird auch für immer so bleiben, und zwischen zwei Aufbackbrötchen fragt Andrea ihn mit lüsternem Blick, ob sie ihn jetzt noch ein bisschen »verwöhnen« soll, sie benutzen auch ganz selbstverständlich und ironiefrei Begriffe wie »Pärchenabend«, »Liebe machen« oder »Quality Time«, früher haben sie manchmal die Nasen aneinandergerieben, jedes Mal wusste Yannik anzumerken, dass so die Eskimos küssen, und das fand Andrea immer unheimlich knuffig von ihm, aber das machen sie jetzt nicht mehr so oft, dafür hat er sie an ihrem letzten Geburtstag überrascht und das ganze Bad mit Kerzen und Teelichten vollgestellt und den Weg dorthin mit Rosenblättern ausgelegt, richtig romantisch, »raue Schale, weicher Kern«, das sagt Andrea über ihren Yanni, und sie schließen jedes Jahr eine neue Versicherung ab, Auto Leben Alter, man weiß ja nie, »et cetera pp.«, sagt Andrea dann gerne, ist so’ne Angewohnheit aus dem Lehrerzimmer, und manchmal äfft er sie nach, das kann sie
gar nicht leiden, so wie er manchmal an die Decke gehen könnte, wenn sie ihn vor allen Leuten verbessert oder im Supermarkt ruft: »Brauchst du nicht mal wieder eine neue Zahnbürste, mein Herz?«, beim Einkaufen streiten sie sich immer öfter, neulich noch, als Yannik eine Fußmatte mit dem Satz »Tritt mich, ich steh drauf« kaufen wollte, was Andrea vor den Nachbarn peinlich gewesen wäre, schließlich haben sie sich auf ein Exemplar mit dem Aufdruck »VIP Lounge« geeinigt, wie bei den Arends, das fanden sie echt witzig, und dann hat Andrea noch ganz süße Topflappen in Form von Fliegenpilzen gefunden, die jetzt in der Küche am Regal hängen, tipptopp eingerichtet ist die Einbauküche, alles da, und Andrea macht wirklich eine ganz hervorragende Gemüse-Quiche, Kochen ist ihr Hobby, da kann sie so gut bei abschalten, eine schöne CD aufgelegt, Kerzen an und ein gutes Glas Wein, das ist ihre Welt, »für ihre Quiche könnte ich sterben«, sagt Yannik, der selbst eher Kochmuffel ist und sich, wenn Andrea mal nicht da ist, lieber eine Pizza oder »was vom Schinamann« bestellt, die Sprüche aus den Glückskeksen legt er Andrea dann aufs Kopfkissen, denn da haben sie sich das erste Mal geküsst, beim Date im China-Restaurant Lotus, als Andrea in ihrem Glückskeks den Spruch »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt« fand, womit ja nur gemeint sein konnte, den Typen endlich klarzumachen, während auf Yanniks Zettel »Die Augen sind der Spiegel der Seele« stand, was in Andreas Fall auf eine riesige Seele schließen ließ, und da haben sie sich gleichzeitig vorgebeugt, um sich zu küssen, drei Jahre ist das her, die Geschichte erzählen sie heute noch bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit, und jetzt: Post-it-Zettel am Kühlschrank, mit denen man sich gegenseitig an den Zahnarzttermin oder das Müllrausbringen erinnert, vielleicht auch eine Kreidetafel, auf
die sie ihm kleine Herzchen malt, und einmal hat er einen Penis daneben gemalt, drei Berge, der in der Mitte am höchsten, da hat sie gegluckst und ihm einen Klaps auf den Arm gegeben und »Hey, du

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