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Was Liebe ist

Was Liebe ist

Titel: Was Liebe ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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wirbt, ist ein impulsives und cholerisches Temperament.
    Er wiederholt: »Betrüger, ich soll Betrüger sein, was weißt du, musst du aufpassen, was du sagst.« Er wendet sich an alle: »Er sagt, ich bin Betrüger, er sagt, ich betrüge, ich mache Tricks, aber alle können sehen, dass ich keine Tricks mache, haben alle gesehen, wie kannst du sagen, dass ich Betrüger bin, wie kannst du sagen, es gibt keine Kugel – es gibt Kugel, sicher gibt es Kugel, aber ist nicht dein Spiel, ist ihr Spiel, sie hat gesagt, die Kugel liegt da, wo du Fuß hast, gut, du sagst, es gibt keine Kugel, du sagst, sie soll andres Schachtel aufheben, gut, ich tue, was du willst, du sollst sehen, hebe ich andres Schachtel auf, wie du willst …«
    Unerwartet und so schnell, dass es nicht zu verhindern ist, geht er in die Hocke und hebt das linke Schächtelchen hoch. Damit ist es vorbei. Dort, wo eben noch das Schächtelchen war, liegt jetzt das weiße Kügelchen auf der Spielmatte – für alle sichtbares Zeichen, dass er kein Betrüger ist. Alles scheint seine Richtigkeit gehabt zu haben. Er hat seinen Fuß umsonst auf die rechte Schachtel gesetzt. Sie ist leer.
    Die Blonde starrt auf die weiße Kugel. Sie hat ihr Geld verspielt. Die Situation ist aus Sicht des Hütchenspielers bereinigt. Er beruhigt sich. »Da ist Kugel, habe ich ehrlich gespielt, und sie hat nicht recht, Kugel war nicht rechts, war links, tut mir leid«, wendet er sich der Blonden direkt zu, »hast du verloren, willst du nochmal spielen, beim nächsten Mal klappt bestimmt, passt du genau auf, ich sehe, du kannst das, schaust du genau hin, spielst du noch einmal, und dann gewinnst du …«
    Von irgendwoher ertönt ein heller, signalhafter Pfiff. Sofort steckt der Hütchenspieler die Schächtelchen ein undrollt die Fußmatte zusammen. Danach taucht er zusammen mit fünf oder sechs Zuschauern im Strom der abendlichen Passanten unter. All das geht so schnell, dass die Zurückbleibenden sich nur wundern können. Von einem auf den anderen Moment ist die Vorstellung vorbei.
    Zoe tritt ihre Zigarette auf dem Pflaster aus. Langsam zerstreuen sich die Schaulustigen. Niemand kümmert sich um die Blonde, die sich langsam aufrichtet. Tränen rinnen über ihr Gesicht. Sie wird ihr Geld nicht wiederbekommen.
    Er sagt: »Es tut mir leid.«
    »Sie sind ein verdammter Arsch!«, fährt sie ihn mit verheultem Gesicht an.
    »Ich wollte Ihnen helfen.«
    Sie holt ein Papiertaschentuch aus ihrer Umhängetasche und schnäuzt sich. »Vielleicht hätte ich mich ja noch umentschieden und das linke Schächtelchen aufgedeckt. Dann hätte ich gewonnen und mein Geld zurückbekommen.«
    Er kann nicht fassen, dass sie immer noch glaubt, bei dem Spiel sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Soll er ihr erklären, dass nichts unter dem linken Schächtelchen gelegen hat? Dass beide Schachteln leer waren und die kleine Kugel erst im Moment des Aufdeckens unter der linken platziert worden ist? Sie würde ihm nicht glauben.
    Er sagt: »Wenn Sie wollen, erstatte ich Ihnen das Geld.«
    Jetzt sieht sie ihn überrascht an.
    »Das würden Sie tun?«
    »Ich hatte kein Recht, mich einzumischen.«
    Sie ist wütend auf ihn, aber beim Thema Geld erwacht ihre Geistesgegenwart.
    »Ich habe dreihundert verloren«, sagt sie schnell und stopft das Taschentuch in die Hosentasche.
    Strenggenommen ist er nur für die letzten zweihundert verantwortlich, aber er hat dreihundert Mark bei sich, zwei Hunderter und zwei Fünfziger, die er vor einer Stunde am Geldautomaten neben dem Hotel gezogen hat.
    Sie steckt das Geld ein. Dann weiß sie nicht, wie sie sich verabschieden soll.
    »Also dann …«, sagt sie und dreht sich um. Nach wenigen Schritten ist sie im Strom der abendlichen Passanten verschwunden. Danach erinnert an dieser Stelle des Gehwegs nichts mehr an das Hütchenspiel.

VIER
    »COOL!« , sagt Zoe.
    Er steht nachdenklich da. Warum hat er sich eingemischt? Er konnte nicht anders. Aber er hat keinen Grund, stolz darauf zu sein. Es verläuft nur eine schmale Grenze zwischen Gerechtigkeitsliebe und Selbstgerechtigkeit. »Nett von dir.«
    Zoe will sich noch eine Zigarette anzünden, aber die Schachtel ist leer. Sie geht zu einem Abfalleimer und wirft sie hinein. »Ich sehe diese Hütchenspieler schon gar nicht mehr.«
    Es beginnt zu regnen. Die Tropfen sind warm und schwer.
    Er sagt: »Bei mir im Hotel gibt es eine Bar.«
    »Ja, gut.«
    Sie stellt sich an die Straße, um ein Taxi heranzuwinken. Er sieht ihre schlanke

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