Was Liebe ist
ist heiß – aber anders, als er es kennt. Sie flüstert: »Piet verfolgt mich. Er steht unten auf der Straße.«
Er macht das Licht aus, geht zum Fenster und sieht hinaus. Auf dieser und auf der anderen Seite der Gracht herrscht der übliche Rotlicht-Betrieb. Die Koberfenster sind erleuchtet, die obligatorischen Männertrauben stehen davor. Piet kann er nirgendwo entdecken.
Er sagt: »Es tut mir leid, was ich gestern gesagt habe.«
»Ich weiß schon nicht mehr, was es war.«
Sie verlassen das Hotel durch den Hintereingang. Für ihn ist es der kürzeste Weg zum Wagen, kein Fluchtweg. Zoesieht sich in den Gassen ein paarmal um. Was soll er von dieser Geschichte mit Piet halten?
Etwas später steuert er den Wagen zum zweiten Mal an diesem Tag auf die A4 Richtung Den Haag und Rotterdam. Der Verkehr ist stetig und dicht. An sein Medikament wird er jetzt nicht mehr kommen. Darüber müsste er sich Gedanken machen. Er schiebt das Problem beiseite. Die Lichter der Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn tropfen kontinuierlich in sein Auge. Manchmal flackern die Scheinwerfer durch Sichtschutzlamellen auf dem Mittelstreifen stroboskopartig auf.
Er sagt: »Wohin fahren wir eigentlich?«
»Ich weiß es nicht.« Sie spielt mit der Zigarettenschachtel, dreht sie nervös zwischen den Fingern hin und her.
»Sollen wir anhalten?«, sagt er.
Sie schüttelt den Kopf. Ihre Nervosität hat einen anderen Grund. Nach wie vor dreht sie sich um, als liege es tatsächlich im Bereich des Möglichen, dass jemand – Piet also – dem Wagen folgt. Doch selbst wenn, wäre das kaum festzustellen. Der Verkehr ist dicht und das Kommen und Gehen der Scheinwerfer hinter ihnen ein anonymer Vorgang.
Sie sagt: »Warum tust du das für mich?«
»Weil ich es will.«
»Du kennst mich doch gar nicht.«
»Ich weiß genug.«
»Du hattest recht. Ich war bei Piet.«
»Zoe, lass das.«
»Schmeiß mich raus!«
»Sag mir lieber, wohin wir fahren.«
»Wir können nicht zusammenbleiben.«
»Und warum bist du zurückgekommen?«
»Das hätte ich nicht tun dürfen.«
»Red keinen Unsinn.«
»Was sollen wir nur machen?«
»Es ist alles gut.«
Sie halten auf einem Parkplatz. Er ist so wach, dass es ihn selbst wundert. Der Medikamentenspiegel in seinem Blut sinkt. Alles, was er wahrnimmt, kommt ihm prägnanter vor, wirklicher, als er es gewohnt ist. Die Lichter sind strahlender, die Geräusche klingender, die Luft frischer und durchsetzt mit dem herben Duft der umliegenden Wiesen.
Zoe, gegen das Heck des Wagens gelehnt, raucht. Sie hält die Arme vor dem Körper verschränkt, weil ihre Jacke zu dünn ist. Sie friert. Ein Wagen biegt auf den Parkplatz, ein Mercedes mit blitzender dunkler Karosserie. Die Scheinwerfer gleiten langsam über den Asphalt und erfassen Zoe. Der Wagen bleibt stehen.
Zoe stößt Zigarettenrauch in die kalte Nachtluft.
»Das ist er!«
Er sagt: »Niemand folgt uns.«
»Ich werde zu ihm gehen und ihm sagen, dass er sich verpissen soll!«
»Zoe, steigere dich da in nichts rein.«
Sie sagt: »Dann geh du!«
»Du bist überreizt.«
Sie funkelt ihn an. »Ich kenne Piet!«
»Gut«, sagt er. »Warte hier.«
Warum soll er nicht hingehen, in den Wagen schauen, zurückkommen und sagen, dass alles in bester Ordnung ist?Dann ist Zoe beruhigt, und sie können ohne dieses Gespenst von Piet im Nacken weiterfahren.
Er geht los. Die Helligkeit der Mercedes-Scheinwerfer brennt in seinen Augen. Zoe hat sich in den Gedanken hineingesteigert, sie seien auf der Flucht. Wie stellt sie sich die kommenden Stunden vor? Gehen Flüchtende in ein Hotel, um sich auszuschlafen? Eigentlich doch nicht. Was kann er tun?
Der Mercedes setzt sich in Bewegung, rollt geräuschlos auf ihn zu. Verzerrte Reflexionen von Straßenlaternen gleiten über die getönte Verglasung. Der Lack glänzt, in das Innere des Wagens fällt kaum Licht. Ob es sich bei dem Fahrer um Piet handelt, ist nicht zu erkennen.
Zoe steht angeleuchtet da. Sie kneift die Augen zusammen und starrt in die Scheinwerfer, deren Lichtkegel auf ihr immer größer und heller werden. Plötzlich heult der Motor auf, und der Wagen schießt an ihr vorbei. Sie schleudert ihm die Zigarette hinterher und brüllt: »Scheißkerl!«
Sie zittert vor Wut und Empörung. Die Rücklichter des Mercedes reihen sich in den fließenden Verkehr auf der A4 ein. Als er Zoe erreicht, umarmt er sie. Sie drückt sich an ihn, als wolle sie sich in ihm verstecken.
Im Wagen sagt er: »Hast du ihn erkannt?«
»Wer soll
Weitere Kostenlose Bücher