Was macht der Fisch in meinem Ohr
Calaveras County (»Der berühmte Springfrosch von Calaveras«) in die Hand fiel, beschloss er, sie ins Englische zurückzuübersetzen und dabei Wort für Wort vorzugehen, also das genaue Gegenteil dessen zu tun, was der französische Übersetzer mit seinen übermäßig freien Formulierungen getan hatte.
The Frog Jumping of the County of Calaveras
In there was one time here an individual known under the name of Jim Smiley; it was in the winter of ’49, possibly well at the spring of ’50, I no me recollect not exactly. This which me makes to believe that it was the one or the other, it is that I shall remember that the grand flume is not achieved when he arrives at the camp for the first time, but of all sides he was the man the most fond of to bet which one have seen, betting upon all that which is presented, when he could find an adversary; and when he not of it could not, he passed to the side opposed. 6
Dieser Schuljungenstreich spottet über das Französische, seine Grammatik und den schulischen Französischunterricht. Vor allem aber veranschaulicht er die Feststellung von Octavio Paz, dass eine »wörtliche Übersetzung« zwar nicht unmöglich, aber eben keine Übersetzung ist. Verständlich wird der Zieltext nur dann, wenn man die Wörter wieder zurück in die Quelle überführen und das Französische durch seine Abbildung im Englischen lesen kann. Mit anderen Worten, diesem Springfrosch kann nur folgen, wer auch Französisch kann – Sinn und Zweck einer jeden Übersetzung besteht aber gerade darin, eine Quelle den Lesern des Zieltexts zugänglich zu machen, die die Quellsprache nicht beherrschen. Eine Übersetzung, die sich ohne Rückgriff auf das Original nicht erschließt, ist keine. Übrigens erklärt dieser allgemein anerkannte Grundsatz, warum die Bedeutung von »cherub« immer Spekulation bleiben wird.
Hinter dem Begriff »wörtlich« verbergen sich noch weitere Rätsel. Man bezeichnet damit nicht nur Übersetzungsstile, die es kaum gibt, sondern sagt auch, wie ein Ausdruck verstanden werden muss.
Die Unterscheidung zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung von Wörtern gehört zum Kernbereich dessen, was westliche Bildung seit über zwei Jahrtausenden vermittelt. Die wörtliche Bedeutung eines Ausdrucks ist angeblich die, die er vor jeglicher Interpretation hat, seine natürliche, gegebene, allgemein anerkannte, neutrale, einfache Bedeutung.
Sagen wir jedoch: »Gestern Abend hat es buchstäblich wie aus Kübeln gegossen«, so meinen wir »buchstäblich« im übertragenen Sinn. Untersuchungen großer Korpora dokumentierter Sprache haben ergeben, dass Ausdrücke wie »buchstäblich«, »wortwörtlich« oder »im Wortsinn« im Englischen meist übertragen verwendet werden; ähnliche Befunde erhielte man ohne Zweifel bei Texten in allen europäischen Sprachen. 7 Das ist eine merkwürdige Ironie, waren doch Ausdrücke, die das eine und sein Gegenteil bedeuten, gerade den griechischen Denkern ein Dorn im Auge, die als erste zwischen wörtlich und übertragen unterschieden. Aber Sprache ist wie Wachs. Die übertragene Verwendung von »wortwörtlich« ist einer von tausend Fällen, in denen Ausdrücke das eine und sein Gegenteil bedeuten, je nachdem, was man mit ihnen sagen will.
Das Adjektiv »literal« (»buchstäblich«, »wörtlich«) ist eine Ableitung von dem Substantiv littera , was auf Lateinisch »Buchstabe« heißt. Ein Buchstabe in diesem Sinn ist ein Schriftzeichen und gehört zu einem Zeichensystem, dessen Teilsysteme sich zur Übertragung von Bedeutung eignen. Mündliche Sprache überträgt Bedeutung, Schriftsprache überträgt Bedeutung – Buchstaben an sich haben aber keine Bedeutung. Eben das ist ein Buchstabe – ein Zeichen, das keine Bedeutung hat, es sei denn als Teil einer Kette. Wörtlich verstanden ist ein Ausdruck wie »in seiner buchstäblichen Bedeutung« ein Widerspruch in sich, er ist ein Oxymoron und unsinnig.
Wenn wir in ferner Vergangenheit über irgendetwas sagten, es sei buchstäblich wahr (»literally true«), um zu betonen, dass es wirklich wahr war, wahr im wahrsten Sinne des Wortes, wollten wir damit wahrscheinlich zum Ausdruck bringen, dass es zu den wenigen Dingen gehörte, die es wert waren, »in Buchstaben festgehalten«, aufgeschrieben zu werden. Überall dort, wo in Bezug auf die Bedeutung und das Übersetzen von »wörtlich« oder »buchstäblich« die Rede ist, wird implizit der Schriftlichkeit ein höherer Wert als der mündlichen Rede
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