Was macht der Fisch in meinem Ohr
französische Übersetzung ins Arabische übersetzen.«
An diesem literarischen Schlagabtausch fällt besonders auf, dass die dem Begriff wörtliche Übersetzung anhaftende Vorstellung in hohem Maße kulturabhängig ist. Mardrus wollte zum Ausdruck bringen, dass sein Werk authentisch war, dass aus ihm die wahre Stimme der arabischen Kultur sprach, deren Besitz er zu Recht oder zu Unrecht als sein besonderes Geburtsrecht ansah. Sein Vorschlag zur Beilegung des Streits – eine Quelle zu erstellen und damit den Schriftgelehrten den geforderten Beweis zu liefern – mag verrückt erscheinen, ist von seinem Standpunkt aus betrachtet aber nicht unlogisch.
Was alle anderen westlichen Kommentatoren unter »wörtliche Übersetzung« verstehen, hat jedoch mit Authentizität, Wahrheit oder Einfachheit des Ausdrucks nichts zu tun. Es bezieht sich eigentlich nur auf das schriftliche Vorkommen von Wörtern, noch genauer, auf die Abbildung von Wörtern in einer Alphabetschrift. Solange diese Technik zur Bewahrung von Gedanken noch relativ neu war und auch in den vielen Jahrhunderten, in denen sie noch nicht zum Allgemeingut gehörte und nur für einen begrenzten Bereich von Bedürfnissen und Zwecken Anwendung fand (Recht, Religion, Philosophie, Mathematik, Astronomie und, gelegentlich, die Unterhaltung der Elite), stand die Schriftlichkeit geschriebener Texte naturgemäß in hohem Ansehen.
In einer Welt aber, in der die Lese- und Schreibfähigkeit fast universell verbreitet ist, das heißt seit den letzten zwei oder drei Generationen, in denen die alphabetische Schrift für alltäglichste Dinge verwendet wird (für Etiketten auf Lebensmittelpackungen, Unterwäsche-Werbung, das Verfassen von Blogs, für Horror-Comics und Schundliteratur), ist mit dem Umstand, dass etwas es wert ist, schriftlich festgehalten zu werden, kein Staat mehr zu machen. »Wörtlich« hat seine »Wortmagie« verloren und ist bloß noch ein Relikt der Vergangenheit. Wir sollten die Begriffe, mit denen wir über Übersetzen und Bedeutung sprechen, aktualisieren und mit dem fortwährenden Hickhack um »wörtlich« oder »frei« endlich aufhören.
Auf einem Gebiet jedoch ist das Übertragen der Bedeutung einzelner Wörter nach wie vor ein wertvolles, unverzichtbares Werkzeug: in der Schule, speziell im Fremdsprachenunterricht.
Sprachen kann man auf viele verschiedene Weisen lehren. Die Osmanen trommelten in eroberten Gebieten junge Männer zusammen und brachten sie als Sklaven nach Istanbul, wo sie zu dil oğlan oder »Sprachknaben« ausgebildet wurden. Die modernen direkten Methoden sind sanfter, beruhen aber auf derselben Auffassung davon, wie Sprachen am besten gelernt werden – durch totales Eintauchen in ein bain linguistique , eine Art sprachlicher Hirntaufe.
In der ganzen Periode, in der Lateinunterricht in Westeuropa zum schulischen Curriculum gehörte, war so ein Eintauchen nicht möglich. Es gab keine Lebenswelt, in der jedermann Latein als Muttersprache verwendete, weshalb es von Lehrern in Klassenräumen unterrichtet werden musste, durch Schreiben. In Anknüpfung an Methoden, mit denen man in der römischen Antike Griechisch lernte, stand das Übersetzen in der europäischen Tradition des Fremdsprachenunterrichts im Zentrum der Vermittlung fremdsprachlicher Kenntnisse und diente der Bewertung der Fortschritte, die Schüler beim Erreichen des Ziels gemacht hatten. Als der Unterricht in den modernen europäischen Fremdsprachen im ausgehenden 19. Jahrhundert in Schulen und Universitäten richtig Fahrt aufnahm, bediente er sich der übersetzungslastigen Methodik, die durch die Vermittlung des Lateinischen und des Griechischen seit jeher zur Verfügung stand. Nach allgemeiner Ansicht war das eine Katastrophe. Lernt man aber Latein (oder Französisch oder Deutsch), weil man Texte in der betreffenden Sprache flüssig lesen, vielleicht sogar selbst verfassen und so mit anderen Latein-, Französisch- oder Deutschverwendern (deren Muttersprachen ganz andere sein mögen) korrespondieren will, sind Fähigkeiten im Übersetzen und im Aufsatz richtige Bildungsziele.
Übersetzungslastiger Sprachunterricht ist zwar aus der Mode gekommen, seine Gespenster gehen aber noch um in Gestalt etlicher irriger Vorstellungen davon, was Übersetzen ist oder sein sollte.
Findet fremdsprachlicher Unterricht in einer Umgebung statt, in der die betreffende Sprache nicht gesprochen wird, und kann sie aufgrund fehlender Technologien (wie Fernsehen, Radio, Film,
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