Was macht der Fisch in meinem Ohr
kääntää , heißt auf Finnisch dasselbe wie »umwandeln« (analog zu Latein), das andere, suomentaa , heißt »verfinnischen«, wenn wir, analog zum deutschen Wort verdeutschen , so sagen wollen. Ein origineller finnischer Dichter nahm »Fisches Nachtgesang«, das berühmte Figurengedicht von Christian Morgenstern, das so aussieht:
Fisches Nachtgesang
Und er »verwandelte« es in ein finnisches Gedicht, das so aussieht:
Kalan yölaulu
Suom. Reijo Ollinen
Wie die Unterzeile mitteilt, wurde das Gedicht »von Reijo Ollinen übersetzt«, der es aber nicht einfach ins Finnische übertragen, sondern – wie dem abgekürzten »Suom.« zu entnehmen – »verfinnischt« hat. Soll heißen: Ein Fisch-Traum auf Finnisch heißt, die Dinge von den Füßen auf den Kopf zu stellen. 4
Im alten China wiederum hing die Bezeichnung für jemanden, der als offizieller Übersetzer in Diensten stand, davon ab, mit welcher Grenze des Reiches er befasst war.
Die für die Gebiete im Osten Zuständigen wurden ji (die Betrauten; Übermittler) genannt; die im Süden waren xiang (die in Entsprechungen Wiedergebenden); die im Westen waren Didi (die, welche die Stämme der Di kennen); und die im Norden waren yì (Übersetzer/Dolmetscher). 5
Die Einteilung einer Übersetzerbeamtenschaft nach der Geografie mag auf den ersten Blick zwar anmuten wie eine Erfindung von Borges, viel seltsamer als Sinologe, Arabist und Afrikanist, unsere Begriffe für die Menschen, die an ihren jeweiligen Schreibtischen im Auswärtigen Amt sitzen, ist sie auch nicht. Trotz der verschiedenen Bezeichnungen für die Ämter, welche die chinesischen Spracharbeiter bekleideten, wurde, wie aus der zitierten Quelle klar ersichtlich, der Inhalt ihrer Tätigkeit als gleich angesehen. Anders gesagt, noch bevor es einen Sammelbegriff für die im chinesischen Kaiserreich als Übersetzer tätigen Beamten gab, ging man davon aus, dass sie im Norden, im Süden, im Osten und im Westen alle dieselbe Arbeit machten.
Als der Buddhismus, durch Übersetzungen vermittelt, in China Eingang fand, veränderte sich der dem Wort yì zugeordnete Begriffsinhalt und ging nun über die ursprüngliche Bedeutung von »mit der Sprache des Nordens beschäftigter Regierungsbeamter« hinaus. Dies sind, in chronologischer Ordnung mehrere Jahrhunderte der klassischen chinesischen Zivilisation umfassend, Erläuterungen zu dem Schriftzeichen yì aus Wörterverzeichnissen und Anmerkungen zu alten Texten:
Die, welche die Wörter der Stämme in die vier Himmelsrichtungen übermitteln.
Auf geordnete Weise darlegen und in den Wörtern des Landes und denen außerhalb des Landes bewandert sein.
Die Wörter der einen Sprache gegen die der anderen austauschen, das heißt sie auswechseln und ersetzen und so ein gegenseitiges Verstehen ermöglichen.
Auswechseln, das heißt nehmen, was man hat, im Eintausch für das, was man nicht hat. 6
Es liegt mir fern, in die von Sinologen geführten Debatten über die Geschichte und die Bedeutung eines Zeichens einzugreifen, das heute fanyì (eine Verstärkung von yì ) lautet und das chinesische Pendant zu »Übersetzung« ist. Entscheidend ist, dass in einer Kultur, älter als die unsere, in der man sich jahrtausendelang ausführlich und akribisch mit den praktischen und theoretischen Problemen des Übersetzens beschäftigt hat, niemand auf die Idee kam, »Übersetzen« gleiche dem »Transfer von Bedeutung aus einer Sprache in eine andere«.
»Wandeln«, »übermitteln«, »nachsprechen«, »äußern« und »austauschen«, alle diese Wörter geben nicht unbedingt besseren oder genaueren Aufschluss über das Übersetzen. Ist einer dieser anderen Namen für Akte zwischensprachlicher Kommunikation aber Teil des eigenen kulturellen Erbes, kommt man nicht darauf, Übersetzung als »Transfer von Bedeutung aus einer Sprache in eine andere« zu definieren. Diese englische (und französische, deutsche, russische …) Standarddefinition ist einfach eine Extrapolation aus dem jeweils verwendeten zusammengesetzten Wort. Sie lehrt uns nur, was die etymologischen Wurzeln des Worts bedeuten, mehr nicht.
Die Metapher des »Übertragens« hat zahlreiche Wörter, Redewendungen und Banalitäten entstehen lassen, die genauso wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben mögen wie die Vorstellung von Übersetzen als »Transfer einer Bedeutung« von A nach B. Hätten wir je die Vorstellung von einer »Sprachgrenze« entwickelt, wenn in unserem Wort für den Übersetzer nicht so etwas wie der
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