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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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Kultursprachen und das Übersetzen gegen alle politische und militärische Logik erhalten blieben. Latein blieb Leitsprache, zum einen als Quelle für das abwärts -Übersetzen und zum anderen als Empfänger vieler Texte aus anderen Sprachen, vorwiegend für den Zweck ihrer Weiterverbreitung in wieder anderen Landessprachen, zwischen denen noch über tausend Jahre nach dem Fall Roms keine direkten Übersetzungsbeziehungen bestanden. Die Juden verwenden das Hebräische seit über drei Jahrtausenden bis heute, obwohl sie Hunderte praktischer Gründe gehabt hätten, es fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel.
    Was einer Sprache kulturelle Dominanz verschafft, hängt – heute wie zu allen Zeiten – weder davon ab, wie viele Zenturionen, Panzer oder Raketen hinter ihr stehen, noch davon, wie viel Gold in ihren Schatzkammern lagert. Eine kulturell dominante Sprache ist eine, die in erheblichem Umfang Übersetzungsbeziehungen zu einer erheblichen Anzahl anderer Sprachen unterhält, zwischen denen in geringerem Umfang auch bilaterale Übersetzungsbeziehungen bestehen. Die Dominanz des Lateinischen im 14. Jahrhundert in Europa zeigt sich beispielhaft zwar nicht nur an der Verbreitung der Reisen des Marco Polo , sie entstand und festigte sich aber eben aufgrund ihrer Verwendung als Verkehrssprache, wodurch dieser (oder ähnliche) Texte etwa ins Tschechische und ins Gälische gelangten, zwischen denen praktisch kein bilateraler übersetzerischer Austausch bestand. Es hatte nichts mit ökonomischer oder militärischer Macht »lateinischer Muttersprachler« zu tun, die es ja nicht gab.
    Die Stellung des Englischen als Quelle und Ziel im Gros der bis heute weltweit angefertigten Übersetzungen wird ersichtlich, wenn man die Sprachen nach der Popularität sortiert, die sie als Quellen für Übersetzungen in eine beliebige Auswahl von Sprachen haben. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Quellsprachen für das Übersetzen von Büchern in 13 weit verbreitete Sprachen seit Beginn der von der UNESCO geführten Statistik:

    Englisch, Französisch und Deutsch führen das Übersetzen weltweit an. Russisch folgt vielleicht überraschend auf Platz vier, aber die acht anderen Sprachen in dieser Rangliste – Spanisch und Italienisch jeweils dreimal, Sanskrit zweimal, Japanisch, Finnisch, Bengali, Malayalam und Arabisch nur einmal und Chinesisch gar nicht – sind Randerscheinungen im globalen Geschäft des Bücherübersetzens.
    Die nackten Zahlen der Übersetzungen, auf denen dieses Ranking beruht, ergeben ein noch verblüffenderes Bild von der Pyramidenstruktur des heutigen Übersetzens. Von den fast eine Million Übersetzungen, die für diese Übersicht gezählt wurden, sind über 650000 solche aus dem Englischen. Ein weiteres Zehntel bilden Übersetzungen ins Englische. Englisch ist in 75,12 Prozent aller einzelnen Übersetzungen Quell- oder Zielsprache.
    Die Zahlen zeigen außerdem, dass etwa 42 Prozent aller in der Datenbank der UNESCO erfassten Übersetzungen aus der oben aufgeführten Auswahl von Sprachen zwischen bloß drei stattfanden – Englisch, Deutsch und Französisch. Das ist aber keine unausweichliche Folge dessen, dass über 47 Prozent der einen Million Bücher, um die es hier geht, auch in einer dieser drei Sprachen veröffentlicht wurden. Kultur ist kein Vorrecht irgendeines Teils der Welt, die Buchkultur – und mit ihr die Kultur des Übersetzens – ist jedoch in starkem Maß auf Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die USA konzentriert.
    Folglich müssten bei einer wirklich repräsentativen Zusammenkunft weltweit tätiger Übersetzer 70 bis 90 Prozent L1-Sprecher einer nicht englischen Sprache sein. Anders gesagt: Wenn es Ihnen gefiele, dass eines Ihrer Kinder sich seinen Lebensunterhalt als Übersetzer verdient, verbessern Sie seine Chancen deutlich, wenn Sie es nicht in Großbritannien oder Amerika aufwachsen lassen. Die Zahlen erklären auch, warum das Übersetzen im öffentlichen Bewusstsein der englischsprachigen Welt kaum eine Rolle spielt. In London, Sydney oder Cork begegnen Sie Übersetzern im normalen Alltag nur selten – in Genf oder Berlin finden Sie an jeder Ecke welche.
    Der übersetzerische Austausch hatte schon immer eine hierarchische Struktur: In der Gegenwart wiederholt sich ein Muster, das in der Geschichte schon viele Male auftrat. Übersetzen findet meist nicht zwischen Sprachen statt, die von ihren Sprechern als ebenbürtig wahrgenommen werden, sondern zwischen solchen, die in

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