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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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hat Mr. Vaquero den Löffel abgegeben, und sein Sohn...«
    »Der junge Mr. Vaquero...«
    »Na ja, der Junior ist er zwar, aber ungefähr einundsiebzig. Jedenfalls hat er das Gut übernommen und ist, gesegnet sei er, zu dem Entschluß gekommen, daß es für El Castillo de Santo Domingo an der Zeit ist, ein bißchen mehr auf dem internationalen Weinmarkt mitzumischen.«
    »Und deshalb hat er dich hergeholt.«
    »Jaah. Um ehrlich zu sein, bin ich mir aber nicht sicher, warum: Ob er meint, ich sei genau die Richtige als Verwalterin seines Guts, oder ob seine grauen alten Hormone in Aufruhr gerieten, als er mich vor zwei Jahren auf einer Weinprobe kennenlernte.« Sie trank einen Schluck. »Die alten Knaben in der Weinszene haben irgendwie ein Faible für mich.«
    Joe nickte, errötete aber leicht; daß sie so direkt ihre Attraktivität ansprach, rüttelte an den Schlössern seines emotionalen Reisegepäcks.
    »Aber bist du glücklich damit, daß du jetzt einen Arbeitgeber hast, nachdem du so lange selbständig warst?« Er wollte das Gespräch vorläufig lieber noch auf sicherem Terrain halten, spürte aber selbst, wie gestelzt er klang, wie ein Reporter aus den 30er Jahren.
    »Na ja, es hat seine Nachteile. Der alte Knochen, der für den täglichen Ablauf auf dem Gut zuständig ist — er haßt mich. Es gefällt ihm eindeutig nicht, daß er eine Frau als Boß hat.« Sie zuckte die Achseln. »Aber damit kann ich leben. Ich verdiene gut. Das Wetter ist fantastisch. Ich habe schon drei Monate von dem Zweijahresvertrag hinter mir, und danach kann ich mich ja wieder selbständig machen, wenn ich will.« Sie machte eine Pause. »Außerdem wollte ich von London weg.«
    Joe zögerte, aber mit ihrer Bemerkung hatte sie ihm eindeutig die Tür für Fragen geöffnet.
    »Warum hast du dich eigentlich von Vic getrennt?« sagte er.
    Jetzt leerte sie ihr Glas mit einem Zug.
    »Flat er es dir nicht gesagt?«
    »Nein...«
    Sie holte tief Luft und schaute ihn von der Seite an.
    »Hast du Hunger?« fragte sie.

    Mit Joes Panda fuhren sie zu einem Restaurant namens »Ende der Welt«, einem einsamen Hippie-Vorposten inmitten der baumlosen Tundra des Cap de Creus. Es gibt wenige Landschaften auf diesem Planeten, die ganz so aussehen, als gehörten sie zu einem anderen: Die Felsengräber und Felshöhlen von Kappadokien in der Türkei, die im vierzehnten Jahrhundert von Höhlenbewohnern dem karstigen Land als Zufluchtsstätten abgerungen wurden; das Wüstental von Sossusvlei in Namibia, das zu allen Seiten von in der Sonne glühenden roten Dünen umgeben ist, die höher als Berge sind. Und in Europa dieser Ort hier, wo sich die Pyrenäen zum Mittelmeer hin in einer Serie mit Flechten und Gestrüpp bedeckter Vorgebirge verleppern, die wie riesige Felshände ihre Finger ins Wasser spreizen.
    Sie fuhren die nördliche Costa Brava entlang, an Cadaques und Port Lligat vorbei, wo Dali gelebt und gearbeitet hatte; während Joe, der wenig von Kunst verstand, zum Fenster hinaussah, hatte er das Gefühl, daß er Dalis Landschaften plötzlich verstand, und er fand, sie hatten ein besseres Schicksal verdient als ihr Tapetendasein an den Schlafzimmerwänden von Sechstklässlern. Während der Fahrt sprach er über sein Hotel in Barcelona; von seinen Ängsten, weil er Jackson ein ganzes Wochenende mit Toni allein lassen mußte; wie er um einen Leihwagen mit aufklappbarem Dach gefeilscht hatte. Sie erzählte von ihrem Leben unter den Einheimischen, den Plänen zur Erweiterung des Guts. Das Gespräch bewegte sich weiter in denselben Bahnen wie im Castillo, so als wollten sie beide noch Zeit schinden, ehe die Antwort auf seine Frage kam. »Es ist ein ziemlich gammliger Schuppen«, sagte Tess. Sie hatten den Wagen am Ende der Küstenstraße abgestellt und stiegen jetzt den steilen Abhang zum Restaurant hinauf. Weit oben konnten sie es sehen, eingebettet zwischen zwei Felsen und im Hintergrund das Meer, meilenweit das einzige, was von Menschenhand stammte, wie ein Haus in einem Traum oder eher einem Alptraum. »Wird von ein paar flippigen Globetrottern betrieben. Aber es lohnt sich, wegen des Blicks.«
    Joe nickte, fragte sich aber, was sich lohnte; jetzt, wo sie fast da waren, wurde ihm wieder beklommen zumute bei dem Gedanken daran, was er noch alles loswerden mußte, und wünschte, er hätte es lieber gleich im Castillo hinter sich gebracht.
    »Es ist wirklich unglaublich hier«, sagte er, bemüht dankbar zu klingen, daß sie ihn hergeführt hatte. Er mußte

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