Was man so Liebe nennt
andere mit fünf verschiedenen Fotos von Diana auf der Titelseite schob. »Ich setz das Wasser auf. Ich glaube, wir haben noch ein paar Bagels von heute morgen übrig...«
»Nein, mach dir keine Mühe. Wir bleiben nicht lange«, sagte Emma ziemlich kühl. Joe sah sie an und spürte Panik in sich aufsteigen. Schon wieder schien ihr irgendwas plötzlich die Laune verdorben zu haben.
»Aber einen Tee trinkt ihr doch wenigstens...«, rief Vic von der Küche her, in Wahrheit eher eine Kochnische, die vom Wohnzimmer abging.
»Hast du abgenommen, Joe?« fragte Tess.
»Nein... glaub nicht...«, sagte er, und ihm wurde ein wenig flau im Magen. Es war ihm aufgefallen, daß die Leute das in letzter Zeit dauernd zu ihm sagten. Er faßte das so auf, daß sie ihn als viel dicker, als er war, im Kopf hatten.
»Wir stören euch doch hoffentlich nicht?« sagte er. »Vielleicht wart ihr gerade mit was Besonderem beschäftigt?«
»Nein«, sagte Tess, »um die Wahrheit zu sagen, wir haben gerade überlegt, was wir mit dem Rest des Tags anfangen...«
»Gott«, sagte Joe zu Emma mit übertriebener Fröhlichkeit, »das waren noch Zeiten!«
»Wie bitte?« Tess sah ihn verständnislos an.
»Wenn du erst ein Baby hast, verstehst du, wovon ich rede.«
»Wenn ich erst ...?« antwortete Tess mit gespielter Arroganz.
Emma und Joe warfen sich einen Blick zu. Sie beide kannten Tess nicht gut genug, um über ihre Gefühle, Kinder betreffend, Bescheid zu wissen; und erst recht wußten sie nicht, ob das vielleicht aus gesundheitlichen Gründen ein Tabuthema war.
»Entschuldigung, ich meinte bloß...« fuhr Joe errötend fort. »Wenn du ein Baby hättest, dann wären die Tage, an denen du einfach faul herumsitzt und überlegst, was du tun sollst, völlig aus dem Programm gestrichen.«
»Ist schon gut, Joe«, sagte Tess lachend. »Guck nicht so verlegen. Ich kann Kinder kriegen. Mir gefällt bloß die Vorstellung nicht sonderlich.« Sie streckte beide Arme in Richtung Jackson aus, den Emma in einem um den Hals geschlungenen Tuch trug. »Was aber nicht heißt, daß ich die von anderen Leuten nicht manchmal gern drücke.«
Emma guckte leicht erschrocken, lächelte dann aber, griff Jackson unter die Achseln, hob ihn aus dem Tragetuch, ging zu Tess hin und übergab ihn ihr, die das typisch hilflose Gesicht von Leuten mimte, die keinen Umgang mit Babys haben. Aber dann nahm sie Jackson ganz lässig auf den Arm, der verdutzt über ihre Schulter guckte und seinem Vater nachsah, wie er in die Kochnische ging, um mit seinem Freund zu reden. Emma hatte sich inzwischen aufs Sofa gesetzt, und ihr Gesicht war auf gleicher Höhe wie der Gürtel von Tess’ Jeans. Tess ließ sich neben sie plumpsen, nahm Jackson auf den Schoß, ließ seinen Oberkörper leicht nach hinten kippen und wölbte ihre Hand um seinen Hinterkopf.
»Dafür ist er ein bißchen zu alt«, sagte Emma und beugte sich hinüber, um ihn gerade aufzusetzen. Sein Gesicht verzog sich, als wolle er weinen. »Entschuldige, ich...«
»Ist schon gut. Was weiß ich schon? Aber du hast recht. Er ist wirklich groß geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
Emma nickte und lächelte wieder. Ein leicht beklommenes Schweigen folgte; beide lauschten zur Küche hin, wo Joe gerade seine Anekdote erzählte und Vic lachte.
»Willst du wirklich keine Kinder haben?« fragte Emma schließlich. Ihre Stimme war leise, wie die erste Frage eines Kindes, nachdem es gerade eine der harten Tatsachen des Lebens verdaut hat. Tess schob die Unterlippe vor und schüttelte langsam den Kopf.
»Tut mir leid.«
»Nein, ich meine nicht—«
»Wirklich, ich bin es gewohnt, mich dafür zu entschuldigen. Eine Frau Mitte dreißig, die keine Kinder will? Da kann ja was nicht stimmen. Die kann ja nur ein Monster sein.«
Emma senkte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare; als sie ein einzelnes ganz hinten erwischt hatte, wickelte sie es sich um den Finger. Manchmal zog sie dann an dem Haar und dehnte es so weit es ging.
»Bei mir brauchst du dich nicht entschuldigen. Ich finde nicht, daß Frauen Kinder haben müssen .«
Tess, die merkte, daß Emma verletzt war, legte ihr die Hand aufs Knie, ehe sie Jackson wieder an sie zurückgab.
»Doch, ich sollte mich entschuldigen. Denn ich habe keine guten Gründe dafür, warum ich keine Kinder haben will. Es ist nicht etwa so, daß ich...«, sie machte eine fahrige Handbewegung, »ich Feministin wäre oder beweisen wollte, wie unkonventionell ich bin oder
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