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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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klar, mußte man planen und hatte es plötzlich mit Uhrzeiten und Orten und Codeworten zu tun und mußte sich auch noch merken, welcher Frau man welche Anekdote erzählt hatte — und um so was wollte Vic sich wirklich nicht scheren. Sich nicht scheren — außer ums Vernügen und sein Ego — war, im Grunde, Vics Berufung im Leben. Er war von einer tiefsitzenden, hartgesottenen Faulheit durchdrungen. Er hatte nicht nur einen schlappen Gang, es wirkte auch schlapp, wenn er rannte, wozu er sich im Grunde nicht mehr aufgerafft hatte, seit... er war zu träge, in seinem Gedächtnis zu kramen.
    Vic wollte Emma überreden, weiter in seine Wohnung zu kommen, aber seit sie Tess an dem Wochenende in seiner Wohnung erlebt hatte — so gemütlich und so zu Hause —, war sie überzeugt davon, daß Vic und Tess als Paar jenes Stadium überschritten hatten, in dem Tess’ Auftauchen immer durch einen Anruf vorangekündigt würde. Vic meinte, einen gewissen Groll aus Emmas konsequenter Weigerung herauszuhören, noch mal zu ihm zu kommen. Aber er sagte nichts dazu: Ansonsten, das wußte er, wären sie im Handumdrehen bei der heiklen Frage, wie ernsthaft genau seine Beziehung zu Tess war — worauf die Antwort zufällig lautete, daß sie kürzlich über die Idee gesprochen hatten, zusammenzuziehen. So kürzlich wie die Woche vor Dianas Tod.
    Theoretisch hätten sich sich tagsüber bei Joe und Emma zu Hause treffen können, während Joe im Labor war, aber die Gegenwart von Jackson war ein Problem: für Emma ein moralisches und für Vic ein sexuelles (er hatte festgestellt, daß seine Lust ein mentales Ausblenden von Emmas Mutterstatus erforderte). Als Vic dann im Rock Stop in Herne Hill war, wo er nach einem neuen Wah-Wah-Pedal suchte, hatte ihn Francis, der Pferdeschwanz tragende Geschäftsführer des Ladens gefragt, ob er irgend jemand wüßte, der eine Wohnung suchte.
    »Glaub nicht. Warum?« sagte Vic.
    »Wir haben oben zwei Räume, wo wir einen Teil des Zeugs aufbewahren. Ich dachte, ich könnte die Zimmer leerräumen und vermieten. Die Wohnung hat ein bißchen was von dem guten alten möblierten Zimmer, aber... oi!« Er drehte sich zu dem langhaarigen Teenager um, der seit fünfzehn Minuten das Anfangsmotiv von »Spirit of Radio« von Rush auf einem Squire Fender Telecaster spielte. »Willst du das Ding kaufen oder was?«
    »Ich wüßte vielleicht wirklich jemand«, murmelte Vic.

    »Joe«, sagte Emma und sah von ihrem Buch auf.
    »Hmm?«
    »Ich hätte nichts dagegen, Toni ein bißchen mehr zu tun zu geben.«
    Joe, der vor dem Kamin kniete, drehte sich zu ihr um. Es war Mitte November, und er hatte beschlossen, diesen Winter die Kamine zu benutzen. Als sie das Haus kauften, hatten funktionierende Kamine ganz oben auf ihrer Liste gestanden. Doch während des ersten Jahrs in ihrem neuen Haus war ihnen nicht klar gewesen, daß Schornsteine gefegt werden müssen: Ihr erster Anlauf zu einem romantischen Abend auf dem Kaminvorleger war in einer Wolke aus Ruß und Rauch aufgegangen. Danach hatte Joe einen ganzen Samstag mit zwei gewaltigen Schotten und deren riesigem Absaugschlauch verbringen müssen — wider besseres Wissen hatte er vorher halb erwartet, ein kleiner, rußverschmierter Junge in zerlumpter Jacke würde mit einem langen Besen auftauchen —, doch es hatte die Mühe gelohnt. Vielleicht wollte er ja auch unbedingt ein richtiges Feuer im Kamin haben, weil er hoffte, daß so nicht alle Gemütlichkeit aus ihrem Hause wich.
    »Was zum Beispiel?« sagte er und wischte sich die Kohle von den Handflächen.
    »Oh, für nichts Besonderes. Sie einfach mehr in Anspruch nehmen.« Joe drehte sich wieder zum Kamin um und schob behutsam die letzten beiden wachsigen weißen Anzündwürfel unter die kunstvoll aufgeschichtete Pyramide von Kohle, Zweigen und zerknülltem Papier. »Wenn wir es uns leisten können...«
    »Na, billig ist sie nicht gerade. Außerdem habe ich mich sowieso schon manchmal gefragt, ob sie wirklich bei der Sache ist und sich gut genug um Jackson kümmert.«
    »Ich glaube, es wäre gut für mich, wenn ich tagsüber öfter mal weg könnte«, sagte Emma leicht trotzig. Joe zündete ein Streichholz an, merkte aber, daß beide Zündwürfel so unglücklich lagen, daß er es mit keinem in Berührung bringen konnte. »Manchmal kriege ich regelrecht ’nen Koller, wenn ich den ganzen Tag hier zu Hause bin.«
    Er versuchte, das Streichholz durch eine Lücke zwischen den Zweigen zu werfen, aber es verlosch sofort. Die Art,

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