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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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überproportional großen Nabels. Als Joe Jackson hochhob und auf die Tür zuging, hörte er ein leises Knurren vom Ende des Flurs. Er blieb stehen und legte das Baby wieder hin; dann wieder, ein bedrohliches rrrrrrrrr... Oh, dachte er, Boris glaubt, alle sind aus dem Haus und jetzt hat er ein Geräusch gehört. Joe hatte keine Angst vor Boris und wollte gerade hinausgehen und ihn beruhigen, als ihm ein Gedanke kam: Na, wollen wir doch mal sehen, ob er wirklich so ein scharfer Wachhund ist. Jetzt war die Gelegenheit, herauszufinden, ob der alte Köter bloß ein Angeber war. Joe erinnerte sich, einmal gelesen zu haben, daß Hunde und Katzen ihre Besitzer und auch alle anderen, mit denen sie vertraut sind, nur an deren Gesichtern erkennen. Ganz entgegen seiner sonstigen Art ritt Joe plötzlich der Teufel: Er zog sich seinen schwarzen French Connection-Jumper über den Kopf und verließ das Badezimmer. Sowie er in den Flur trat und sich blind zur Wohnungstür vortastete, hörte er Boris noch einmal dasselbe Knurren von sich geben, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann verwandelte es sich ein Jaulen, und dann im Grunde in ein Hundeweinen: Rrrwwwwwwwwaaaahhh!! Joe zog sich den Jumper vom Gesicht, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Boris angstgepeitscht und seine triefenden, lila beliderten Augen zum Himmel verdrehend mit Volldampf den Flur zurückpeste, ins Schlittern kam, so daß alle viere unter ihm wegrutschten, und im nächsten Moment in Sylvias Schlafzimmer verschwand, wobei ihm die Scheiße aus dem Arsch schoß wie Wasser aus einem Feuerwehrschlauch. Sowie Joe sich von seinem ersten Schock und zwanzig Sekunden unbändigen Gelächters erholt hatte, bemerkte er, daß auf einer Seite des Flurs die Fläche zwischen Fußleiste und Bilderreihe total bespritzt war, jetzt einen Edelputz aus Hundescheiße besaß. Ein Bild von Emmas stämmigem Vater, wie er mit starrer Miene aus dem Stehkragen seines Abendanzugs guckt, war völlig zugeschmiert.
    Joe hatte nicht mal die Zeit, nachzusehen, welchen Schaden Boris im Schlafzimmer angerichtet hatte, von wo hektisches Keuchen zu hören war, das ganz so klang, als käme es unter der dicken Bettdecke auf Sylvias Divan hervor. Joe hatte sich kaum gefangen, da ging die Haustür auf, und Emma und ihre Mutter kamen zurück.
    »Na, so ein Pech...«, Emma wollte ihm erzählen, daß es plötzlich zu regnen angefangen hatte, statt dessen hielt sie sich die Nase zu und riß vor Entsetzen und Ärger die Augen auf. Sylvia schlenderte an ihr vorbei und guckte sich interessiert die Flurwand an, so als wundere sie sich, daß ihr das Muster dort noch nie aufgefallen war. Joe öffnete den Mund und wollte etwas sagen, merkte aber, daß die Erklärung nicht so einfach war, und so stand er mit offenem Mund da und strich sich stumm übers Ohrläppchen.
    »Ist wohl was schief gegangen beim Windelnwechseln?« sagte Emma hinter vorgehaltener Hand.

    Auf der Heimfahrt schlug Joe vor, bei Vic vorbeizuschauen: Es läge auf dem Weg, sagte er, und er wolle ein Buch abholen, das er ihm geliehen habe.
    »O Joe«, sagte Emma, die sich gerade über die Rückenlehne des Beifahrersitzes hangelte; Jackson hatte das Kunststück vollbracht, sich aus den Gurten des Kindersitzes zu befreien. »Ich hab doch gesagt, daß ich müde bin. Und Jacks ist auch müde.«
    »Ach komm, Em. Nur fünf Minuten.«
    Sie setzte sich wieder und zog ihren eigenen Sicherheitsgurt über die Schulter.
    »Du willst ihm bloß erzählen, was bei Mum passiert ist.« Sie sah ihn an — wie er den Blick auf die Straße heftete, sich aber ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte. »Stimmt’s?«
    »Na... vielleicht.« Er riskierte einen Blick zu ihr hin, wie er hoffte, einen einschmeichelnden. »Es ist eine komische Geschichte.«
    Emma öffnete den Mund, wollte was sagen, schwieg aber dann und sah zum Fenster hinaus.
    »Kerle!« murmelte sie schließlich. »Könnens nicht abwarten, sich gegenseitig zum Lachen zu bringen...«
    Joe nahm das als Zustimmung auf und bog rechts ab, Richtung Sydenham.

    »Hallo«, rief Tess Joe und Emma entgegen, als sie in Vics Wohnzimmer traten. Sie lag der Länge nach ausgestreckt auf seinem Sofa und ließ die Füße über die Lehne baumeln; sie selbst wie das ganze Zimmer waren mit allen möglichen Sonntagsbeilagen und Modeseiten bedeckt.
    »Tess! Entschuldigung, aber wir kamen gerade hier vorbei...«
    »Nein, ist schon in Ordnung«, sagte sie und erhob sich, wobei sie unbewußt eine Zeitung über eine

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