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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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richtigen Wort, »schlecht drauf ist.«
    »Ach, es wird schon gehen. Ich kümmere mich um Jacks. Ich passe auf, daß er dir nicht im Weg ist.«
    Sie verzog den Mund, aber ihr Gesicht war nicht unfreundlich dabei; sie sah ja, daß er sich alle Mühe gab.
    »Na gut. Dann trage du alle Last«, sagte sie, und ihr Akzent kam deutlicher durch, so wie immer, wenn sie was Volkstümliches sagte.
    Joe schnallte Jackson in dem gepolsterten Kinderstuhl auf dem Rücksitz des Clio fest; wie immer fing Jackson sofort zu strampeln an und wollte sich befreien, konnte aber nicht, weil die ganze Kraft seiner winzigen Händchen immer noch ins Greifen floß und nicht ins Ziehen. Emma ließ den Motor schon laufen, und so rannte Joe um den Wagen herum und sprang hinein.
    »Was ist?« fragte er, als sie nicht losfuhr.
    »Es hat keinen Sinn, nur ihn anzuschnallen.« Sie zeigte auf Joes gurtlosen Bauch. »Was hat er davon, wenn er einen Zusammenstoß überlebt, aber sein Daddy durchs Fenster fliegt...«
    »Stimmt«, sagte Joe und ließ die Metallschnalle einklinken. Früher hat sie mich nie so oft zurechtgewiesen, schoß ihm durch den Kopf; er vertrieb den Gedanken aber schnell und sagte sich, daß das schließlich ein uralter Streitpunkt zwischen ihnen war. Es hatte sie schon immer zur Weißglut gebracht, wenn er, weil er meinte, das sparte Zeit, erst beim Fahren oder dem ersten Ampelstop den Gurt anlegte. Joe, der sich plötzlich auf sicherem Terrain fühlte bei diesem alten Streit, zeigte auf ihre Füße. »Ich glaube allerdings kaum, daß ohne Schuhe zu fahren ganz oben auf der Liste der Sicherheitstips steht.«
    Sie sah hinab. Ihre Turnschuhe lagen mit den dicken Sohlen nach oben direkt neben den Pedalen, auf denen Emmas in grauen Männerwollsocken steckende Füße ruhten. Es versetzte Joe einen leichten Stich, als er bemerkte, daß die Schuhbänder viel zu lang waren, wie an dem Tag, als sie sich kennenlernten.
    »Oh, wir sind heute wohl der Herr Verkehrsminister...«, sagte sie mit freundlichem Sarkasmus. Joe war dankbar für ihre gute Laune. Sie drehte am Radio herum, auf der Suche nach irgendeinem guten Song.
    »Warum machst du das eigentlich immer?«
    »Ich mach es nicht immer, wie du sehr wohl weißt. Ich mach es nur, wenn ich diese Turnschuhe anhabe. Die Sohlen sind so dick, daß ich kein richtiges Gespür für die Pedale habe.« Joe sah sie an. Ihr Ton verriet ihm, daß es einen anderen, längst nicht so nüchternen Grund gab, und er schwelgte in dem Wissen darum. Gleich, wie schlecht die Dinge auch laufen mochten, niemand konnte ihm diese Vertrautheit mit Emmas Eigenheiten nehmen.
    »Außerdem...«, sagte sie dann, drehte ihm den Kopf zu und fing seinen Blick auf, »...mag ich es, wie diese — wie heißen sie noch — Riffelungen sich anfühlen.«
    »Was?«
    »Die Dinger auf den Pedalen. Diese Wellen. Sie kribbeln so schön an den Füßen.« Sie drehte ihm den Kopf zu und lächelte. »Okay?«
    Auch Joe lächelte, aber leicht angespannt. Er hatte das Gefühl, sie waren in gefährliche Gewässer gelangt. Emma liebte es, wenn ihre Füße gestreichelt wurden; was andere vielleicht als Kitzelfolter empfinden würden, darauf war sie ganz wild und sagte oft zu Joe, daß es die Stelle war, wo sie am liebsten berührt wurde. Das gefiel Joe. Andere Männer wären vielleicht nicht gerade begeistert gewesen und hätten andere Stellen vorgezogen, aber Joe fand, daß das Schwelgen in nicht sexuellen Berührungen zu den viel zu selten gepriesenen Freuden der Liebe gehörte — herumliegen, sich den Nacken streicheln lassen, an den Haaren herumspielen, die Unterarme streicheln, die Schultern massieren und die Hand halten. Emmas Anspielung auf ihre Füße brachte ihm zu Bewußtsein, wie lange es schon nicht mehr zu dieser Art von Berührung zwischen ihnen gekommen war. Diese seltsamen keltischen Kreise auf dem Brems- oder Gaspedal ersetzten jetzt seine Hände. Den Rest der Fahrt war er schweigsam.

    Nach ungefähr einer Stunde bei Sylvia war Joe froh, daß Jackson die Windeln vollgemacht hatte. Er war von Natur aus ein geduldiger Mann, aber nachdem er zum siebten Mal erklärt hatte, wer er war, empfand er es als Erleichterung, als ihm der vertraute, tröstliche Gestank in die Nase stieg, denn das hieß, daß er sich mit dem Baby zehn Minuten ins Bad zurückziehen konnte. Er nahm seinen Sohn hoch und sagte: »Huch, ich glaub, es wird Zeit, daß wir jemandem hier die Windeln wechseln.« Ein hintergründiger denkender Mann hätte das vielleicht

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