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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Kissen lag, die Augen geschlossen und ein wenig angespannt. Er fürchtete, daß er mit diesem Stück sexuellen Bekennertums vielleicht ein bißchen zu viel Luft aus dem Ballon seines Egos herausgelassen hatte, daß er, trotz ihrer inzwischen größeren Offenheit zueinander, die Finger zu schnell losgelassen hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie ihn, als sie das zweite Mal zu ihm in die Wohnung kam, am Ausschnitt seines T-Shirts zum Bett gezogen und gesagt hatte, »Liebe mich«, und er, der diesen Satz noch nie mochte, hatte mit unnötiger Schärfe gesagt: »Sag das nicht. Sag, was du meinst.«
    Sie hatte ganz leicht mit dem Kopf hin- und hergeschaukelt; ein Fragezeichen stand in ihrem lächelnden Gesicht.
    »Sag: Fick mich«, hatte Vic ihr erklärt. Sie setzte ein tapferes Lächeln auf, als wolle sie sich Mut machen. Aber Vic spürte, er verlangte zu viel zu früh. Obwohl ihr Sex oft wild und gierig war, verklärte ihn Emma irgendwie, und mit seinen Worten harte Vic ihre Seifenblasen zum Platzen gebracht — den Schwebezustand durchbrochen.
    Doch im nächsten Moment waren sie eng umschlungen ins Bett gefallen, ihr Trieb zueinander so mächtig, daß er keinen Moment Aufschub duldete, keinen Moment des Loslassens. Aber Vic hatte es sich gemerkt — sei vorsichtig, überfordere sie nicht! Und jetzt fürchtete er einen Moment, es sei ihm wieder passiert. Er war immer noch dabei, es zu lernen, das verworrene Beziehungsschach. Aber Emma lächelte bloß und sagte mit geschlossenen Augen. »Tess fährt doch nächstes Wochenende weg, oder nicht?«
    Vic fuhr hoch.
    »Ja. Nach Barcelona.«
    Emma schlug die Augen auf, räkelte sich hoch und lehnte sich an die nackte Wand hinter dem Bett.
    »Und ich habe Joe gesagt, daß ich Samstag nacht bei meiner Mutter bleibe.«
    Vic wurde trocken im Mund. Emmas Entschlossenheit verblüffte ihn, die Art, wie sie ein fait accompli schaffte.
    »Und? Wie geht es ihr?«
    »Nicht besser. Wir haben morgen einen Termin bei einer Beratungsstelle wegen eines Pflegeheims für sie.« Emmas Augen verengten sich, und ihr Gesicht wurde hart — sie errichtete eine Mauer in sich, um den Gedanken nicht an sich heranzulassen. »Jetzt kann sie sich nicht mal mehr erinnern, wer ich bin. Oder vielmehr, sie kann sich nur ganz vage erinnern. Das ist das Problem. Das ist der Punkt, der sie zur Verzweiflung bringt. Sie kann sich erinnern, daß ich jemand bin, an den sie sich erinnern sollte .« Emma fuhr sich mit der Hand an den Kopf. »Das ist das wirklich Schreckliche an Alzheimer. Dein Gedächtnis wird nicht ganz ausgelöscht. Auf eine Art wäre es besser so. Wenn Mum mich zum hundertsten Mal fragt, was es zum Mittagessen gibt, ist es nicht einfach so, daß sie vergessen hat, was es gibt — von ganz, ganz ferne erinnert sie sich, daß sie es die ganze Zeit wissen wollte.«
    Vic nickte und sah sie mitfühlend an, wußte aber nicht recht, was er antworten sollte, war sich nicht mal sicher, ob sie eine Antwort erwartete. Alzheimer gehörte nicht zu den Krankheiten, die er sich früher immer gern ausgemalt hatte. Mit Alzheimer zog man die totale Niete, weil sie einem im Gegensatz zu den meisten schlimmen Hämmern die Möglichkeit zu bissigem Witz und Humor nahm. Die wischte Alzheimer einfach aus. Denn wie will man ohne schnelles Gedächtnis schon witzig sein, besonders in unserer ultraanspielungsreichen Kultur? In Dr. Johnsons Tagen mochte es angehen, ein Witzbold mit ein bißchen Alzheimer zu sein, denn da war nichts anderes als hin und wieder ein ätzender Sinnspruch übers Leben gefragt. Aber Vic wußte, heutzutage reichte das nicht: Man mußte in der Lage sein, seinen mit Namen und Anspielungen gespickten Witz über das ganze Popkulturspektrum von Evel Knievel bis Barbapapa zu verspritzen. Und wenn die Namen einfach nicht hinter der bröseligen Steinmauer des Nichterinnerns hervorkommen wollten, dann war es zu spät, der Moment war verpaßt.
    Emma kuschelte sich wieder an seine Schulter. Eine Weile bewegte sich ihr Kopf auf der Woge seines Atems auf und ab.
    »Und was ist, wenn Joe dich bei deiner Mutter anruft?« sagte Vic schließlich. Sie blinzelte und rückte leicht von ihm ab.
    »Ich fahre ja hin, Vic. Ich werde meine Mutter besuchen«, sagte sie, beinahe zornig, als werfe er ihr vor, sie nutze die Krankheit ihrer Mutter für ihre eigenen Zwecke aus, was Vic nicht tat: Sie selbst machte sich den Vorwurf. »Aber sie geht jetzt immer ziemlich früh zu Bett, so gegen neun. Und wenn sie tief und friedlich

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