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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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schläft, rufe ich Joe an und sage ihm, daß alles in Ordnung ist, und dann...« Sie zögerte, hielt sich dann aber weiter am Praktisch-Organisatorischen fest, »...komme ich her. So gegen zehn.«
    Als Vic stumm blieb, sah Emma zu ihm auf.
    »Er ist nicht mißtrauisch, Vic.« Dann wurde ihr Ton weicher. »Weil er so ohne Arg ist. Mißtrauen gehört nicht zu seiner Gefühlswelt.«
    Auch Vic sah sie an, sich bewußt, daß er aus ihrem Blickwinkel wahrscheinlich ziemlich kinnlastig aussah. »Du klingst traurig«, sagte er. »Du hörst dich immer traurig an, wenn du über ihn sprichst.«
    »Wann spreche ich denn schon von ihm?«
    Vic hatte verstanden. »Nicht oft. Vielleicht weil es dich traurig macht.«
    Emma schwang ihren Oberkörper herum und setzte sich auf die Bettkante. Dann sah sie zum Fenster hinaus in das immer dunkler werdende schmuddelige Spätnachmittagslicht.
    »Ich liebe — ich habe Joe sehr geliebt«, sagte sie nach einer Weile.
    Vic richtete sich auf und stützte sich auf den Ellbogen. »Und...?«
    Sie starrte weiter zum Fenster raus. Eine Hand war an ihre Haare gewandert. »Und dann lief irgend etwas schief. Was genau, weiß ich nicht. Das passiert in Beziehungen. Plötzlich stimmt es nicht mehr, und keiner weiß genau, warum.« Vic hörte zu, nickte. Zu einer anderen Zeit, zu einer anderen Person hätte er bestimmt gesagt, der Grund sei, daß das ganze Beziehungskonzept verkehrt sei — diese alberne Vorstellung, daß die Liebe ewig hält; aber jetzt drängte es sich ihm nicht auf die Zunge. So, als sei er selbst nicht mehr recht davon überzeugt. »Aber das heißt nicht, daß ich nichts für ihn empfinde.«
    Vic zog ihr behutsam die Hand vom Kopf und sah zu, wie das eine Haar, an dem sie gezurrt hatte, seine Spannung verlor und wie eine Luftschlange herabsank.
    »Mach das doch nicht dauernd...«, sagte er sanft.
    Emma lächelte reuig. »Ich weiß. Meistens merke ich es gar nicht, wenn ich es mache.«
    »Tut es nicht weh?«
    »Nein. Es ist ein herrliches Gefühl, wenn man eins erwischt hat.« Sie griff sich wieder an den Kopf, aber diesmal spielerisch, und ließ die Finger über ihre Haare wandern wie über die Saiten der Harfe. »Haareauszupfen ist sogar ein offiziell anerkanntes Krankheitsbild.«
    »Wenn man sich die eigenen Haare auszerrt?«
    »Ja. Es hat einen Namen und alles.« Ihre hauchzarten Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ich komme nicht mehr drauf — es ist ein furchtbar langer Name. Joe...« Sie zögerte, wie erschrocken, daß sie ihn schon wieder erwähnte. »...Joe kann ihn sich immer merken.«
    »Ach ja, wirklich?«
    » Vic ...« Sie strich ihm übers Haar. Zerwühlen konnte sie es nicht, es war so dick, daß ihre Finger darin steckenblieben. »Schmoll nicht«, sagte sie, und dann nach einer kurzen Pause: »Ich beschwere mich ja auch nicht wegen Tess. Und du schläfst immer noch mit ihr. Ich und Joe schlafen seit...«, sie verstummte, »na, einer Ewigkeit nicht mehr zusammen.«
    Vic erwiderte ihren Blick. »Aber ich rede nicht dauernd von ihr.«
    Emma setzte eine gespielt empörte Miene auf. »Und wann rede ich dauernd von Joe?«
    »Gerade eben. Du hast gesagt, daß du ihn immer noch liebst.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, daß ich nicht behaupten kann, daß ich nichts für ihn empfinde.«
    »Sogar wenn du mit mir zusammen bist?«
    Vic war sich seines Tons unsicher, mit dem er das herausgebracht hatte. Am Anfang, die ersten Male, als Emma zu ihm kam, hatte er geschauspielert, hatte sich so gegeben, wie sie ihn haben wollte. Auch jetzt hörte er sich noch all die Dinge sagen, die von einem Liebhaber in seiner Situation erwartet wurden, aber er fühlte sie auch. Seine Frage war kein Geplänkel gewesen. Er wollte die Anwort wissen.
    Emma küßte ihn, ihre Lippen wie Butter auf seinen.
    »Nein. Nicht, wenn ich mit dir zusammen bin.« Ihr Gesicht rückte einen Deut von ihm ab. »Aber ich lebe mit Joe zusammen. Ich werde ständig an unsere Liebe erinnert.«
    Vic sah ihr in die Augen; antwortete nichts darauf, nickte nur und küßte sie dann.
    »Warum beschwerst du dich nicht wegen Tess?«
    Sie sah ihn an, und ihre Augen verengten sich, so als wundere es sie, daß Vic sich auf dieses heikle Terrain vorwagte.
    »Weil ich weiß, daß es keinen Sinn hätte. Du würdest dich nie wegen mir von ihr trennen.«
    Vic spürte, wie ihm vor Überraschung der Mund aufstand. Er wollte es nicht fassen, daß Emma solche Gedanken hatte. Genau das hatte er doch immer von ihr und Joe geglaubt. Er

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