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Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Titel: Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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und nennt das Ganze Freiheit. Mann, diese Scheißtour kenne ich sonst nur von Männern, und ich frage mich gerade zum tausendsten Mal, ob ich nicht den gleichen Fehler mache wie all diese bekloppten Sozialarbeiterinnen, die hinter irgendwelchen Gestörten herstürzen, um an ihnen ihr Helfersyndrom auszuleben. Wir leben monatelang wie Mann und Frau zusammen, dann verschwindet sie, ohne ein Wort zu sagen. Nach einem Jahr taucht sie wieder auf, geht mit mir ins Bett und lässt mich dann auflaufen, wenn ich wissen will, wo sie war ...
    »Du denkst schon wieder nach«, sagt sie und pocht mir auf die Stirn.
    Versuch es auch mal , liegt mir auf der Zunge, aber ich sage nichts. Was sie betrifft, fahre ich eine gepflegte Dauerdefensive.
    »Soll nicht wieder vorkommen.«
    Der Sarkasmus perlt an ihr ab.
    »Gut«, sagt sie. »Erzähl mir was Schönes.«
    Was Schönes ... Dass ich mich damals nicht umgebracht habe, hat sie ja schon mitbekommen. Und dass der FC dieses Jahr schon ein paar Spiele gewonnen hat, wird wohl nichts sein, was sie groß umhaut.
    »Meine Mitbewohnerin hat mir vorhin eröffnet, dass sie einen Aidstest machen will.«
    Sie schmeckt vorsichtig darauf herum.
    »Was ist daran schön?«, fragt sie schließlich und liefert mir die perfekte Vorlage für die Pointe.
    »Wenn der negativ ausfällt, wird die halbe Stadt erleichtert aufatmen.«
    Kein Lacher.
    »Und wie ist es mit dir?«, fragt sie eine Spur zu schnell.
    »Was soll sein?«
    »Schläfst du auch mit ihr?«
    »Nein«, sage ich wahrheitsgemäß.
    »Ich habe gestern mit Frank geschlafen«, flüstert sie und kuschelt sich noch enger an mich.
    Ich schaue sie an. Was wird das jetzt? Die große Bitte-kämpf-um-mich-Show?
    Ich schließe die Augen und horche auf irgendwelche Eifersuchtssignale in mir, aber ich spüre nichts. Muss noch betäubt sein.
    »Soso, Frank heißt er also.«
    Sie nickt.
    »Was Ernstes?«
    Sie zögert kurz.
    »Ich glaube schon«, sagt sie dann und mustert mich. Bohrt in der Narbe, um die Dicke der Kruste zu prüfen.
    »Kommst du damit klar?«
    »Wenn ich jetzt Ja sage, werde ich dann offiziell als Affäre anerkannt?«
    Sie verpasst mir einen Blick.
    »Ich meine das ernst. Kommst du klar damit?«
    »Kein Problem«, sage ich in dem lässigsten Tonfall, den ich draufhabe. Klingt ganz glaubwürdig.
    »Bist ’n echter Held, was?«
    Weil mir dazu nichts einfällt, küsse ich ihren Mund. Sie küsst mich auf die Wange. Ich küsse ihr linkes Auge. Sie küsst meine Nase. Ich küsse ihr rechtes Auge. Sie küsst meine Brustwarze. Ich küsse ihr Haar. Sie rutscht tiefer und kommt gegen meinen Schwanz. Ich ziehe die Luft hörbar ein. Er ist empfindlich wie ein offener Zahn.
    »Geht’s?«, fragt sie hämisch.
    Darauf wetten würde ich nicht, aber solange wir nach Gummi riechen, steht sowieso gar nichts an.
    »Lass uns baden«, schlage ich vor.
    »Wasserspiele?«, fragt sie in einem Tonfall, in dem andere Leute sechs Richtige sagen würden.
    Später liegen wir vor dem Spiegel und rauchen. Das war’s. Nichts geht mehr. Rien ne va plus. Zeit für die Psyche. Ich schaue sie im Spiegel an.
    »Warum hast du mir damals nichts von deinen Abreiseplänen erzählt?«
    Sie zieht die Schultern hoch und schweigt, aber in dem Spiel hat mich Max gestählt.
    »Warum hast du mir damals nichts von deinen Abreiseplänen erzählt?«
    Sie seufzt.
    »Was hätte ich sagen sollen, was nicht schon tausend Mal gesagt wurde?«
    Dazu fällt mir auch nichts ein. Ich versuche es anders.
    »Wie geht’s jetzt weiter?«
    Sie lächelt.
    »Sag du es mir«, sagt sie mit einem Vamp-Tonfall und greift nach meinem Schwanz.
    Ich versuche, ruhig zu bleiben.
    »Ich frage dich , weil es deine Entscheidung ist. Was ich will, weißt du!«
    Sie dreht meinen Kopf zu sich.
    »Du fängst schon wieder an zu nerven.«
    »So bin ich nun mal, die gute alte Nervensäge.«
    Pause.
    »Bist du meinetwegen zurückgekommen?«
    Sie verdreht die Augen und starrt an die Decke.
    »Gott, lass mir ein bisschen Zeit, ja?«
    Ich will sie gerade daran erinnern, dass sie ein ganzes Jahr Zeit gehabt hat, aber mir fällt rechtzeitig eine sinnvolle Frage ein.
    »Wofür?«
    »Um anzukommen«, sagt sie und rollt sich von mir weg.
    Ich streichele ihren Rücken und warte, ob noch was kommt, aber anzukommen scheint eine längere Geschichte werden zu können, also liegen wir da und schweigen.
    Es donnert. Der Himmel verdüstert sich und beschert mir ein Déjà-vu. In einem Gewitter schliefen wir damals das erste Mal miteinander, in

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