Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
wieder an sie, presse meinen Verstand an ihren Hintern und schlafe ein.
Irgendwo klingelt ein Telefon. Jemand rüttelt mich. Ich hebe ein Augenlid und sehe Vivi in Großaufnahme.
»Nein.«
Sie rüttelt weiter.
»Zisch ab!«
»Bitte ...«, sagt sie leise.
Ich werfe einen Blick auf ihr Gesicht. Scheiße.
»Verdammt noch mal!«, schnauze ich in den Hörer.
»Haalloo, wer spricht denn da?«, fragt ein Tenor.
»Hör zu, Namenlos. Du hast genau zehn Sekunden Zeit, um deinen Spruch loszuwerden, länger kann ich mich nicht wach halten. Also?«
»Bin ich falsch verbunden?«, kommt es vorsichtig aus der Leitung.
Ich knalle den Hörer auf den Apparat. Vivi schaut mich mit großen Augen an.
»Wer war es denn?«
»Nimm mit«, stöhne ich und halte ihr den Apparat entgegen.
Sie geht wortlos aus dem Zimmer. Alle meine Nervenenden melden negative Vibrationen. Ich begrabe meinen Kopf unter dem Kopfkissen und strecke mich. Wartet mal ... Irgendwas stimmt hier nicht ... Ich breite vorsichtig die Arme aus, bis ich links an die Wand und rechts an die Bettkante stoße. Es ist wie im Zweiten Weltkrieg – viel zu wenig Widerstand.
Nach einer genaueren Inspizierung des Bettes stelle ich fest, dass ich mich in einer klassischen Situation befinde. Ich sollte mich mittlerweile daran gewöhnt haben. Keine Fragen, keine Klagen. Warum spiele ich mit?
6. Fragen ...
I ch muss wieder eingeschlafen sein, denn die Sonne röstet meine Füße. Während ich schlief, hat sie hart gearbeitet, und mich beschleicht ein Gefühl, der Letzte im Bunde zu sein, also kämpfe ich mich in die Senkrechte und nehme die Herausforderung an.
Meine Morgenrituale wickele ich ungestört ab, dann schaue ich zu Vivi rein. Auf ihrem Futon liegt eine der schönsten Rückseiten, die mir seit langem untergekommen ist. Braune Haut auf weißen Laken, endlos lange Beine, lange schwarze Lockenpracht, Tattoo auf dem linken Schulterblatt.
Leise gehe ich los, um meine Kamera zu holen. Wenn das Bild auch nur halbwegs originalgetreu wird, werde ich es »Reden ...« nennen. Als ich das dritte Mal abdrücke, klingelt das Telefon in der Küche, die Schönheit dreht sich ein bisschen und schock . Sie ist ein Kerl!
Ich schaue nochmal genauer hin und gehe erschüttert zum Telefon.
»Ja?«
»Morgen, Süßer, hast du gut geschlafen?«
Vivis Stimme, süß und verführerisch.
»Was soll ich tun?«
»Kannst du mal nachschauen, in welchem Zustand mein Bett ist?«
»Belegt.«
»Super!! Schreibst du ihm bitte einen Zettel, dass ich um sechs Uhr wieder da bin und dass ich mich freuen würde, wenn er auf mich wartet?«
»Du-sechs-warten.«
Pause. Sie will noch was. Ich warte. Sie aber auch. Diese Runde gewinne ich.
»Könntest du ihn ... ähm ... bitten, auf mich zu warten?«
»Bitten?«
»Bitten.«
Ich will sie schon fragen, seit wann sie ihre Typen um etwas bitten muss, aber ich begnüge mich damit zu nicken.
»Und?«, kommt es aus dem Hörer.
»Was?«
»Ja?«
»Häh?«
»Tust du das für mich?«
»Ja, ja.«
»Mein bester Freund«, jauchzt sie.
»Dein einziger Freund«, erinnere ich sie.
»Soll mir was sagen, wie?«
»Denk nicht drüber nach, es könnte dein ganzes Leben verändern.«
»Arschloch«, sagt sie und legt auf.
Wow. Eine Frau, die vor mir aufsteht, eine Frau, die keine ist, und eine Strichlisten führende Nymphomanin, die einen Typen um etwas bittet ...
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich wieder einmal kein Frühstück bekomme, denn im Probenraum warten die Jungs seit zwanzig Minuten, also packe ich meinen Kram zusammen und gehe Vivis Eroberer rütteln.
Er öffnet ein Auge.
»Vivi kommt um sechs wieder. Sie bittet dich, auf sie zu warten. Da ist Kaffee in der Kanne. Ciao.«
Im Probenraum bin ich heute nicht zu gebrauchen. Neues Lied, neues Glück? Nicht, solange der Text nicht passt. Irgendetwas läuft nicht rund, und ich bekomme ums Verrecken nicht heraus, was. Die Jungs warten auf einen Geistesblitz, aber je länger ich mich abquäle, desto mieser bin ich drauf, bis ich mich schließlich vor den Probenraum setze, um sie nicht völlig abzutörnen.
Ich zünde mir eine Zigarette an, lehne mich zurück und denke an den letzten Sommer. Die Tänzerin knallte in mein Leben, und ich ging fliegen. Dann verschwand sie, und ich fand heraus, wo unten ist. Und jetzt ist sie wieder da, nicht wahr? Und ich sitze mal wieder hier und bin derjenige ...
Abends komme ich nach Hause. Der Text ist fertig, aber ich habe nicht das Gefühl, als hätte ich mir
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