Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
einem Gewitter schliefen wir zum letzten Mal miteinander. Die Zeit dazwischen nichts als Sturm, Hitze, Gewitter, Sex, Hitze, Sex, Gewitter, Sex, Sex, Sex. Zwischendurch hatten wir schöne Gespräche, und das war das Fatale, denn sie vermittelte mir das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Bis zuletzt dachte ich, ich wäre bei ihr in Sicherheit. Das Leben ist eine Reihe von Irrtümern. Ich werde nie vergessen, wie ich alle fünf Minuten bei ihr anrief, die Notaufnahmen abklapperte und vor ihrer Haustür Wache schob, bis ich die Tür schließlich knackte, um zu sehen, ob meine Tänzerin in der Wanne ausgerutscht war. War sie nicht. Also machte ich die Runde am nächsten Tag noch mal. Und am Tag danach. Als ich kurz davor stand, völlig durchzudrehen, hatte jemand die Güte, mir mitzuteilen, dass sie nach Südamerika ausgewandert war ... Was mache ich hier eigentlich?
Ich stehe auf und fange an, meine Klamotten zusammenzusuchen.
»Ich bin weg.«
Sie nickt und sieht dabei unendlich traurig aus. Irgendwann muss ich lernen, mir nicht ständig ihren Kopf zu zerbrechen, aber noch ist es nicht so weit, also wiederhole ich den letzten Satz, den ich zu ihr sagte, bevor sie damals verschwand.
»Ich will dich. Willst du mich, musst du was dafür tun, okay?«
Sie nickt wieder.
»Okay?«
»Okay«, flüstert sie.
»Komm mal her.«
Sie kommt mal her. Wir umarmen uns. Ein letzter Blick, ein letzter Kuss. Ein allerletzter Blick, ein allerletzter Kuss. Mein Schwanz regt sich leise, prüft das Ausmaß der Verlockungen, aber der Rausch ist vorbei.
»Ich will dir nichts Böses, also spiel nicht mit mir«, sage ich und komme mir dabei irgendwie bescheuert vor. Wieso mache ich mir Sorgen um sie ? Ich bin doch derjenige, dem es beschissen ging, und wahrscheinlich werde ich auch wieder derjenige sein. The same procedure? Nein. Diesmal läuft es anders.
»Wenn du nächstes Mal weg willst ...«
Ich drehe ihr Gesicht zu mir.
»... dann sag vorher Bescheid.«
An der Tür holt mich ihre Stimme ein.
»Tacheles ...«
Ich drehe mich nicht um, warte, was kommt.
»Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Das wäre schön«, murmele ich zu der Tür und ziehe sie hinter mir ins Schloss.
5. Leben
H eimspiel. Das Publikum singt den Kehrreim mit einer solchen Inbrunst, dass wir ganz leise werden, um den Leuten Platz zu geben, ihre eigene Party zu feiern. Mir läuft es kalt den Rücken runter. Ich bin in Sicherheit. Nichts, wovor ich Angst haben müsste, solange ich hier oben bin.
Irgendwann gebe ich den Jungs das Zeichen, dass ich auf der nächsten Eins wieder reingehe, und beginne, meine Wahrheit zu rocken. Die Band explodiert hinter mir. Ich schließe die Augen, breite die Arme aus und lasse mich von dem Orkan wegreißen.
Nach der Show hängen wir Backstage. Der Raum ist voller Leute, die durcheinander schreien. Fremde drängeln herein, um ihre ultrasubjektive Meinung zum Besten zu geben oder um ein Bier aus dem Catering zu schnorren. Fotos, Autogramme, Telefonnummern. Tipps, Tricks und leere Versprechen. Der Boden ist kniehoch mit Worthülsen der Unverbindlichkeit bedeckt.
Eine fremde Schönheit kommt auf mich zu, drückt mir ihre Adresse und einen Zwanziger in die Hand. Ich lächele ihr zu, sie lächelt zurück, verteilt ein paar Komplimente und verschwindet wieder. Und das geht so: Irgendwann hatte Max die Idee, jeden Gig mitzuschneiden und gleich nach dem Konzert Vorbestellungen für den Live-Mitschnitt zu verticken. Aufwand vor dem Gig: ein entsprechendes Plakat an der Eingangstür, Aufwand nach dem Gig: Anzahlungen einsacken, Aufwand bei der nächsten Probe: nebenbei die Tapes laufen lassen und Aufwand auf dem Heimweg: an einem Briefkasten vorbei. Noch zehn solcher Tricks, und ich kann wieder Miete zahlen.
Der Raum wird immer voller. Ich versuche, Tritt zu halten, indem ich ein Bier nach dem anderen kippe, aber mein Adrenalinspiegel lässt keine Wirkung zu. Wird noch was dauern, bis ich runterkomme. Mit der richtigen Frau hält die Wirkung nach einem guten Gig bis zu zwei Tagen an. Mit der falschen verpufft sie beim Orgasmus.
Als gäbe es einen Gott, quetscht sich im selben Moment die Tänzerin durch die Menge und kommt auf mich zu. Hinter ihr kämpft ein Kamerateam mit den Räumlichkeiten.
»Du wirst immer besser«, flüstert sie und küsst mich.
Sie kennt sich definitiv mit Typen aus, die gerade von der Bühne runterkommen.
»Ich habe ein paar Bekannte mitgebracht«, fährt sie fort und zeigt auf das
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