Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
seine Züge kriegen etwas Listiges.
»Also?«
»Also, was?«, frage ich.
Er schaut mich milde an.
»Verstehst du gar nichts?«
»Was.«
»Es gibt doch einen Grund, warum du mich das ausgerechnet jetzt fragst, oder?«
Ich breite die Hände aus. Keine Ahnung, wovon er redet.
Er wirft die Arme nach oben.
»Himmel! Was ist das Einzige, worüber wir noch nicht geredet haben?«
»Vielleicht sagst du es einfach, ich bin gerade nicht in Quizlaune.«
»Ef er a u e en!«, buchstabiert er.
»Frauen.«
»Sehr gut! Normalerweise redest du von nichts anderem. Also?«
Ich breite wieder die Hände aus.
»Was zum Teufel haben Frauen mit Gegen-seinen-Willen-im-Wasser-Herumstehen zu tun?«
Er gibt mir wieder diesen Blick für geistig Derangierte. Vielleicht ist es tatsächlich blöd, jemandem, der zwei Scheidungen hinter sich hat, eine solche Frage zu stellen.
»Verstehe. Du willst also wissen, was bei mir mit Frauen läuft?«
»Och, nur, wenn du unbedingt drüber reden willst ...«
»Okay, schon gut, ich hab’s ja kapiert.«
Ich lasse mir Zeit, überlege, was ich ihm eigentlich erzählen soll. Er nutzt die Zeit, um betont desinteressiert auf seine Fingernägel zu schauen, dann auf die Uhr, dann wieder auf seine Fingernägel. Fünf Minuten ohne Faxen, und man müsste sich Sorgen um ihn machen.
»Okay. Mit der einen ist es vorbei. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich sie mochte. Die andere ist meine beste Freundin, und irgendwie haben wir schon eine Beziehung, aber ich weiß nicht so richtig ... Ich meine, wir sind ’ne Zeit lang zusammen ins Bett gegangen, aber manchmal denke ich, wir sind nur Freunde, weil wir damit wieder aufgehört haben, und ... na ja ... ich will sie nicht verlieren, verstehst du? Ich meine, wo sind all die Frauen, die ich mal geliebt habe?«
Far wartet ab, ob noch was kommt. Kommt nichts.
»Du hast ja doch was begriffen«, murmelt er zufrieden.
»Na, wenn du meinst ...«
»Ist doch klar. Also, was die eine da betrifft: Dir ist doch klar, dass sie, wenn sie den Fisch nicht fangen will, sich über den Fang auch nicht freuen wird, oder?«
Geht das schon wieder los.
»Und außerdem sprichst du über sie in der Vergangenheit, also vergiss sie.«
Grete kommt mit einem Eisbeutel.
»Worüber redet ihr?«
Far legt sich den Eisbeutel auf die Stirn und deutet auf mich.
»Er hat mal wieder Frauenprobleme.«
»Kann er seine Freundin auch nicht befriedigen?«, fragt sie.
»Ich hör ja wohl schlecht!«, entrüstet er sich.
»Das auch«, sagt sie, »und wann hatten wir denn das letzte Mal Sex?«
Sie ergreift seinen Arm.
»Na, hör mal, ich bin dreiundsiebziglassmichlos!«
»Am Neunzehnten Vierten neunzehnhundertachtundachtzig«, sagt sie vernichtend und schleppt ihn Richtung Haus.
»Ich will nicht ins Haus«, jammert er.
»Du hast eine schwere Kopfverletzung und wirst dich jetzt brav hinlegen.«
»Es geht mir schon viel besser!«, ruft er und zerrt panisch an seinem Arm.
Sie kabbeln sich den ganzen Weg zum Haus.
»Und was ist mit mir?«, rufe ich ihnen hinterher.
Beide drehen kurz den Kopf.
»Geh schwimmen!«
Je mehr ich schwimme, desto mehr Boden bekomme ich unter die Füße. Es ist alles so leicht. Im Wasser. Tankgirl lehrt mich Karate, Far versorgt mich mit Lügengeschichten, und ich erfreue mich immer häufigerer Energieanfälle, die ich in Schwimmen, Zotteljagen und Gymnastik umsetze. Ich fühle, wie mein Körper wacher, schneller, sicherer wird. Gleichzeitig löffelt mein Hirn langsam die Suppe aus. Das Eis schmilzt.
Eines Tages krame ich mein Geld zusammen, schnappe mir Gretes Rad und fahre ein Dorf weiter, wo es ein Auslandstelefon gibt. Mein Anrufbeantworter ist so voll, dass es mich mein ganzes Kleingeld kostet, ihn abzuhören. Es sind überwiegend Beschwerden, weil ich mich nicht abgemeldet habe. Der Einzige, der weiß, wo ich bin, ist Max, und mit ihm ist ja bekanntlich schwer zu reden. Ich hatte ihm zwar aufgetragen, jedem zu sagen, dass es mir gut geht. Den Anrufen nach hat er es nicht immer hingekriegt.
Ich gehe einen Schein wechseln, stopfe Münzen in den Apparat und wähle seine Nummer.
»Hm?«
»Ich bin’s.«
»Hm.«
»Wann ist die letzte Probe?«
»Generell?«
»Vor dem Gig, du Idiot.«
»Donnerstag, zwanzig Uhr. Warum?«
»Warum ...? Was ist das denn für ’ne bescheuerte Frage? Ich bin’s , dein Sänger!«
»Hm.«
Also, wenn ich nicht wüsste, dass er sich über meinen Anruf freut ...
»Gibt es was Neues?«
»Gerüchte.«
»Was denn?«
»Nichts
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