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Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)

Titel: Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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er.
    Ich ignoriere den Einwand. Er hat es nicht anders gewollt.
    »Ich fragte sie also, ob sie nicht die hervorragende Journalistin wäre, die für ihre provokanten und hintersinnigen Kolumnen bekannt wäre. Sie zierte sich etwas, konnte es aber nicht verneinen, also fragte ich sie, was es für ein Gefühl wäre, als Journalistin zu arbeiten. Sie sülzte los, der Vorteil an diesem Beruf wäre der, dass man mit so unheimlich vielen interessanten Menschen zusammentreffen würde blablabla, und als sie sich warm geredet hatte, war ich ihr bester Freund geworden, also fragte ich sie, ob es stimme, dass sie im Gespräch wäre, als Chefredakteurin bei dieser neu aufgelegten Zeitschrift ›Der Stürmer‹ anzufangen.«
    Er will sich gerade Milch in den Kaffee kippen, doch jetzt verharrt er und mustert mich.
    »Der Stürmer?«
    Ich nicke. Er schaut mich an. Ich muss grinsen und denke an den Abend, wo Karin S. sich vor laufender Kamera bloßstellte.
    »Das Publikum raunte, sie hielt das für Anerkennung und sonnte sich in der Aufmerksamkeit, aber sie zierte sich noch, also schleimte ich herum, dass ich verstehen würde, wenn sie im Vorfeld der Vertragsverhandlungen keine Informationen preisgeben könne, aber wenn ein weltbekanntes geschichtsträchtiges Sport -Magazin wie ›Der Stürmer‹ ihr eine wöchentliche Kolumne geben würde, dann wäre das doch etwas, was man ruhig zugeben könne. Sie zierte sich noch ein bisschen, und dann ...«
    Ich mache eine kleine Kunstpause. Er schaut mich nur an und wartet. Kunstbanause.
    »Und dann gab sie es zu.«
    Seine Augenbrauen gehen einen Zentimeter in die Höhe. Ich nicke grinsend.
    »Sie gab es zu. Live in der Glotze.«
    So viel Dummheit ist sogar für Max’ Stein zu viel. Seine Mundwinkel zucken.
    »Hm?«
    »Ja, echt, ist ’ne wahre Geschichte«, nicke ich, und mein Gesicht tut richtig weh, als ich daran denke, wie Karin S. sich outete.
    Max lächelt fast. Interessant. So sieht sein Gesicht also aus, wenn es nicht aus Stein ist. Zur Feier des Tages nippt er am Kaffee, und sofort versteinert sich seine Mimik. Unauffällig spuckt er den Kaffee in die Tasse zurück und stellt die Tasse weg. Ich tue, als hätte ich nichts bemerkt.
    »Und wie ging es weiter?«, fragt er.
    »Na ja, das Publikum lachte sie aus, und irgendwann fiel auch bei ihr der Groschen, sie wurde rot und weiß, und das war es dann mit unserer Freundschaft.«
    Ich nicke ihm zu. Er mustert mich regungslos. Ich zucke die Schultern.
    »Das war’s.«
    Ich stehe auf. Er bleibt sitzen. Ich schaue wieder auf die Uhr. Er mustert mich ausdruckslos. So verharren wir ein paar Augenblicke. Ach, was soll’s.
    »Na ja. Danach bekamen wir keine Presse mehr, keine Ankündigungen, keine Kritiken, nichts. Als ich anfing, mich zu erkundigen, fiel ihr Name zu oft, also besuchte ich sie in der Redaktion, und nach ein paar gegenseitigen Vorwürfen geriet die Sache etwas außer Kontrolle.«
    Max kneift die Augen zusammen.
    »Nein. Bevor ich etwas tun konnte, brachten ein paar Kanten mich zur Tür.«
    Max’ Augen entspannen sich wieder.
    »Aber dann brannte ihr Auto ab, und seitdem bekamen wir Verrisse aus allen Richtungen, erinnerst du dich? Apfelsine«, sage ich und zeige auf den Obstkorb.
    Er wirft mir eine Apfelsine rüber.
    »Ich also wieder zu ihrem Büro. Sie hatte mich schon erwartet, und die Kanten brachten mich sofort zum Ausgang, während sie mir erklärten, dass ich gestolpert sei.«
    »Gestolpert?«
    Ich hebe den Kopf und zeige ihm die Narbe an meinem Kinn.
    »Hm«, macht er zufrieden und wartet auf die Schilderung eines blutigen Rachefeldzugs, die alles erklärt, was Karin S. je an Scheiße über uns verbreitet hat.
    Ich schäle die Apfelsine. Jetzt schön sachte.
    »Sie wohnt an einem See. Großes Grundstück. Großes Haus. Große Bäume. Große Fenster ...«
    Ich mache eine Pause, um die Informationen einsickern zu lassen. Max kneift ein Auge zu, prüft die Wortwahl und zieht dann die Mundwinkel eine Winzigkeit hoch.
    »Dann verschwanden die zwei größten Katzen unten vom Hof.«
    Er nickt, als hätte er so was erwartet.
    Ich stecke mir langsam ein Stück Apfelsine in den Mund und kaue genüsslich. Auch darüber denkt er nach. Dann nickt er und mustert mich.
    »Hm?«
    »Das war’s«, murmele ich mit vollem Mund.
    Er betrachtet mich ein paar stille Sekunden. Dann steht er auf.
    »Keine große Geschichte.«
    Weg ist er.

21. Vorspiel
    I ch will mich gerade ans Telefon hängen, um wenigstens noch ein paar Radiostationen von

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