Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
deren Weibern, trotz der Hautfarbe und des Gestanks, hinter den Busch ziehen will, um sich ein wenig zu amüsieren, mein Gott, dann habe ich auch nichts dagegen. Man nimmt eben, was man kriegen kann, hab ich recht?
    Meine Leute gehen also auf die Wilden zu, und als sie ankommen, sehen sie mitten unter ihnen einen nackten, tätowierten Weißen! Sie wollen von ihm wissen, was er da macht, aber er versteht nichts und antwortet bloß irgendwas in der Sprache der Wilden. Es ist hoffnungslos, ihn auch nur nach seinem Namen zu fragen.
    Doch meine Jungs haben gut reagiert. Sie haben gleich erraten, dass es sich um einen Schiffbrüchigen handelt, und beschlossen, ihn ohne weitere Diskussionen an Bord zu schaffen. Aber wie sollten sie das anstellen?
    Der Weiße war sehr aufgeregt und kam immer wieder zu ihnen, fasste sie an und lief dann zurück zu den Wilden, die mittlerweile aufgehört hatten zu fischen. Man bot ihnen Tabak, Nägel und Halsketten an. Keiner von ihnen schien Interesse daran zu haben. Meine Leute kehrten unbehelligt zur Schaluppe zurück, und der Weiße folgte ihnen. Und die Wilden folgten dem Weißen.
    Es kamen drei Warnpfiffe, und als ich die Horde dann sah, ordnete ich an, die Gewehre herauszuholen und die zweite Schaluppe zu bewaffnen. Man kann nie vorsichtig genug sein.
    Am Strand blieb so weit alles ruhig. Vorerst ging von den Wilden keine Gefahr aus. Man hatte mir gerade mitgeteilt, dass die Reparaturen so gut wie beendet waren. Ich befahl, sich zum Ablegen bereitzuhalten, ohne meine Absichten erkennbar zu machen. Der Weiße lief immer noch zwischen meinen Leuten und den Wilden hin und her, die sich nicht näher als auf zwanzig Schritt heranwagten. Mithilfe des Fernrohrs verschaffte ich mir Gewissheit, dass die Gruppe vor allem aus Frauen und Jugendlichen bestand und dass niemand Stöcke oder Totschläger dabeihatte.
    Gelassen bestieg erst einer, dann ein zweiter meiner Jungs die Schaluppe. Die Wilden winkten ihnen freundlich zu, und der Weiße stieg ebenfalls ins Boot und setzte sich auf eine der Ruderbänke. Sofort sprang auch der Rest der Mannschaft hinein und ruderte mit voller Kraft zum Schiff. Der weiße Wilde stand auf, aber sie zwangen ihn, sich wieder hinzusetzen.
    Als sie angekommen waren, kletterten alle an einer Strickleiter an Bord, und der weiße Wilde stellte sich dabei nicht ungeschickt an. Ich beobachtete ihn und war sehr überrascht. Er schaute sich um und schritt sichtlich berührt das Deck ab.
    Der Steuermann befahl das Manöver, eine gute Brise blähte die Segel, und meine alte John Bell gewann bald an Fahrt und verließ die Bucht. Als er begriff, dass wir abgesegelt waren, wurde der weiße Wilde sehr unruhig. Er sprang auf dem Deck herum – ich befürchtete schon, er würde sich ins Meer stürzen – und lief in alle Richtungen. Ich war kurz davor, ihn festzubinden, denn ich hatte Angst, er würde das Manöver behindern oder einen der Matrosen angreifen.
    Als wir die offene See erreicht hatten, fügte er sich, setzte sich in einen Winkel und rührte sich nicht mehr. Er murmelte irgendwas in seiner Sprache. Ich ordnete an, ihm zu essen und zu trinken zu bringen. Er ließ sich widerstandslos einkleiden, beschnupperte die Suppe und ließ sie stehen, sehr zum Missfallen unseres Schiffskochs. Mit Brot, Bier und einer unserer letzten Bananen war es das Gleiche. Am Abend ließ ich ihm eine Decke bringen: Er benutzte sie weder als Umhang noch als Unterlage, sondern schlief im Sitzen.
    Bis nach Sydney bewegte er sich so gut wie gar nicht mehr und sagte auch nichts. Bei unserer Ankunft berichtete ich den Herren von der Admiralität von den Ereignissen. Ich musste ihn noch eine weitere Nacht an Bord behalten – eigentlich sind meine Leute ja keine Gefängniswärter. Am folgenden Morgen holte ihn dann eine Abordnung von Soldaten ab.»
    Das ist alles, was ich diesem unangenehmen Zeitgenossen ausder Nase ziehen konnte. Als der Gouverneur ihn entließ, machte er sich grußlos aus dem Staub.
    Mein Aufenthalt in Sydney, der weniger als einen Tag dauerte, diente auch dazu, vor dem Richter des Kolonialgerichts zu erscheinen, der mir die Vormundschaft über Narcisse übertragen sollte.
    Der korpulente Herr mit Perücke schien an seinem Pult einzuschlafen. Englisches Recht ist undurchschaubar, die Kolonialversion umso mehr. Die ganze Angelegenheit, für die normalerweise Anwälte, Zeugen, Amtsdiener, Staatsanwälte nötig gewesen wären, war in einer Viertelstunde zwischen uns erledigt. Nachdem er

Weitere Kostenlose Bücher