Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman
möchte. Die Natur hat mir eine Stimme verliehen, die trägt, und die Zuhörerschaft, die von Ihnen mit Sorgfalt eingestimmt worden war, verharrte in Schweigen. Ich würde mich bei der Société de Géographie für alle Wohltaten revanchieren können, die sie mir erwiesen hatte. Ich hub an.
Ihrem Rat folgend, sprach ich etwa eine Stunde lang frei. Zuerst fasste ich zusammen, was wir über die Entdeckung und Geografie von Australien wissen, und ging besonders auf den Nordosten und seine geheimnisvollen Einwohner ein. Dann beschrieb ich, wie es dazu kam, dass ich mich des weißen Wilden angenommen habe, erzählte von seiner fortschreitenden Wiedergewöhnung an die zivilisierte Welt. Ich wiederholte – vielleicht ein wenig zu ausführlich? –, wie selten er Einzelheiten zu den Traditionen der Wilden offenbart. Und ich beschloss meine Rede damit, wie ich seine Identität herausgefunden hatte, und beschrieb seine Rückkehr nach Saint-Gilles in die Arme seiner Familie.
Überschwänglicher Applaus erwartete mich am Schluss, und dieDamen zückten ihre Taschentücher. Ich hatte den Eindruck, alles Wichtige an dieser Geschichte mitgeteilt zu haben. Narcisse Pelletier, der reglos zwei Meter weiter unten verharrte und vielleicht lächelte, konnte ich kaum sehen. Sie ergriffen daraufhin das Wort und verkündeten, dass ich es mit diesem Abenteuer verdient hätte, vom korrespondierenden zum Vollmitglied aufzusteigen. Der Applaus wurde noch heftiger. Sie hatten mich darauf nicht vorbereitet, und die Raumtemperatur war nicht der einzige Grund für mein Erröten.
Mit einem Hammerschlag stellten Sie die Ordnung wieder her und eröffneten die Debatte. Die zwei ersten Fragen drehten sich um Einzelheiten unseres Aufenthalts in Sydney und die Rolle des Gouverneurs. Ich beantwortete sie, allerdings durch die grelle Beleuchtung auf der Tribüne behindert, die es mir kaum erlaubte, die aufeinanderfolgenden Redner voneinander zu unterscheiden.
Die dritte Frage kam von Révérend Père Leroy. Ich kannte diesen Oratorianer nur von seinen Artikeln über den Norden Québecs und die indianische Bevölkerung. Sie werden sich an die Hinterhältigkeit seines Vorstoßes erinnern. Er beglückwünschte mich zu meiner Rolle als barmherziger Samariter und bedauerte in der Folge, meinen Bericht nicht aus dem Mund des hier anwesenden Individuums selbst vernommen zu haben. Ich erläuterte abermals, was auch Sie selbst feststellen konnten: dass er weder den Wunsch noch die nötige Erfahrung zu einem solchen Vortrag hat. Und dann kam der Dolchstoß: Woher die Société die Gewissheit nehme, dass es sich nicht um einen Schwindler handele? Natürlich nicht gegen Sie gerichtet, Monsieur le Vicomte, dessen Aufrichtigkeit außer Frage steht, sondern gegen den Matrosen. Machte er vielleicht mit der Besatzung des Schiffs, das ihn angeblich gefunden hatte, gemeinsame Sache? War er vielleicht ein gemeiner Deserteur, der einen originellen Weg gefunden hatte, um nach Frankreich zurückzukehren, von aller Schuld befreit und ohne selbst etwas Geld lockermachen zu müssen?
Sie haben bemerkt, wie das Publikum, von der Aussicht auf Polemikund Skandal gelockt, begierig aufhorchte. Für Sie und für mich war seine Frage anzüglich, doch war sie so geschickt formuliert, dass sie nicht unhöflich wirkte.
Meine Antwort war eine zweifache: Erstens – wie sollte ein desertierter Matrose sich eine derart komplexe Geschichte mit unzähligen Komplizen und Unwägbarkeiten ausdenken, und das für ein solch banales Ziel? Außerdem, wie hätte er neben dem Kapitän und den Matrosen der John Bell auch Gouverneur Young, den Arzt und die Soldaten hinters Licht führen sollen, ohne sich dabei zu verraten? Und nicht zuletzt würde ich selbst ihn seit dem 2. März unaufhörlich beobachten und sei dabei gewesen, als er unsere Sprache wiedererlernte, und unter welchen Mühen! Ich hatte mich persönlich davon überzeugen können, dass ihm so grundlegende Konzepte wie Geld oder Besitz fremd seien, und er habe mir diesbezüglich niemals den geringsten Anlass zu Verdacht gegeben. Die Tätowierungen und unübersehbaren Hautritzungen, die er auf seinem gesamten Körper trage, seien ausreichender Beleg für die Wahrhaftigkeit seiner Geschichte.
Vielleicht hätte ich meine Erwiderung nicht auf diese Art und Weise beenden sollen. Aus dem Publikum erhoben sich Rufe wie «Wir wollen selbst sehen!» und «Oberkörper frei». Sie erkannten, dass die Vollversammlung in eine Zirkusvorstellung
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