Was mit Hass begann
ritten mehrere Stunden lang, und Mike widmete Ruth seine ganze Aufmerksamkeit. Als wir an einen Abschnitt der alten Straße kamen, konnten sie beide nebeneinander reiten. Dann folgten ihre Kammerzofen. Die beiden klammerten sich an ihren Sattelknopf, als würden sie jeden Augenblick vom Pferd fallen. Sandy und ich bildeten die Nachhut. Die meiste Zeit über schwiegen wir und beobachteten Mike und Ruth.
Am späten Nachmittag hatte meine anfänglich gute Stimmung erheblich nachgelassen. Obwohl kein Grund vorlag, war ich eifersüchtig. Es sah ganz so aus, als habe Ruth wieder eine Eroberung gemacht. Mike lächelte ihr zu und lachte leise über die Dinge, die sie von sich gab. Mit einem Wort, er himmelte sie an.
Bei Sonnenuntergang erreichten wir die zerfallene Stadt Eternity. Sie bestand aus lauter grauen verwitterten Holzhäusern. An einigen waren die Aufschriften abgefallen. Eine davon lautete: »Das Paris der Wüste«, was mir ein Lächeln abnötigte. Schweigend ritten wir durch die breite Hauptstraße. Steppenhexen sausten, sich überschlagend, an uns vorbei. Unser Ziel war ein großes Haus am anderen Stadtrand, wo wir, wie Sandy sagte, kampieren würden.
Müde und zerschlagen stieg ich vom Pferd. Mike kam, Ruths Sattel in den Armen, auf mich zu.
Im Vorbeigehen sagte er: »Ruth ist genauso, wie du sie geschildert hast.«
Sofort hob sich meine Stimmung. Ich schöpfte neue Energie. Eine Stunde später half ich Sandy und Mike, Hamburger zu braten. Doch beim Abendessen unterlief mir wieder ein schwerer Fehler. Ich fragte: »Würdest du mir mal den Mostrich reichen, Mike?«
Natürlich hörten alle mit dem Essen auf und sahen mich an. Geistesgegenwärtig lachte ich ein wenig und behauptete, Kane erinnerte mich an einen Bekannten, der Mike hieße. Die Frauen achteten weiter nicht darauf. Aber ich merkte, daß Sandy den Braten gerochen hatte. Es tat mir leid, daß ich Mikes Geheimnis verraten hatte, und ich hätte mich gern bei ihm entschuldigt.
Nach dem Essen half ich beim Abwasch, konnte aber kein ungestörtes Wort mit Mike sprechen, weil Ruth ständig um ihn herumscharwenzelte. Deshalb unternahm ich einen Spaziergang.
Ich bin gut zu Fuß. Beim Spazierengehen kommen mir die besten Ideen. Ich war wohl ein paar Kilometer auf einer alten, von Unkraut überwucherten Straße entlanggewandert, bis ich an ein altes Haus kam, das früher einmal sehr hübsch gewesen sein mußte. Es stand etwas zurückgesetzt ganz für sich allein in einem schönen Garten. Neben der Veranda blühten noch zwei Rosen.
»Hier hat mein Urgroßvater gewohnt.«
Mike hatte leise gesprochen, aber ich zuckte trotzdem zusammen.
»Entschuldige«, sagte er. »Ich dachte mir schon, daß du allein sein willst, durfte dich aber nicht aus den Augen verlieren.«
Ich bedankte mich mit einem Lächeln. Im Mondschein war er fast so hübsch wie sein Bruder. »Wegen heute abend ...«fing ich an, doch Mike unterbrach mich lachend. Er sagte, Sandy sei es gewöhnt, daß sie als Zwillinge anderen Leuten Streiche spielten. Er habe ihm alles erklärt, und nun sei Sandy beruhigt.
»Ich habe eine Laterne mitgebracht. Möchtest du dich hier mal umsehen?«
Es war himmlisch, Mike zur Gesellschaft zu haben. Er erzählte mir von seinen Vorfahren, die in diesem Haus gewohnt hatten. Darunter war ein Schauspieler, der so fabelhaft gewesen sein mußte, daß man ihn den Großen Templeton nannte. Da ich Geschichten liebe, hatte das Haus mit den verblichenen Rosentapeten einen starken Reiz für mich.
Als wir den Rundgang beendet hatten, sagte Mike: »Cale, was du auch tust, erzähle nur Kane nichts davon, daß du über unseren Rollenwechsel Bescheid weißt!«
Ich lachte, denn ich hatte keine Ahnung, was das ausmachen würde.
»Ich meine das ganz ernst«, sagte er. »Mach nur keinen Fehler mehr! Sag nicht aus Versehen zu ihm: >Mike hat dies oder das gesagt oder getan.< Es ist wichtig, Cale.«
»In Ordnung. Großes Pfadfinderehrenwort.« Diese Geheimnistuerei hätte glattweg aus einem meiner Bücher stammen können.
»Ich muß jetzt gehen. Kanes Auto wird bald kommen. Wenn du mich das nächstemal siehst, ist es ein anderer.«
Das war wohl ein Beispiel für Zwillings-Humor. Ich wollte ihm zum Abschied die Hand reichen, aber er umarmte mich brüderlich, küßte mich auf die Wangen und nahm mir das Versprechen ab, ihn in New York zu besuchen. Dann war er weg, und mir war zumute, als hätte ich jemand verloren, der mir ein Freund fürs Leben hätte werden können.
Ich hatte
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