Was mit Hass begann
noch nicht den Wunsch, das Haus zu verlassen, so wohl fühlte ich mich darin. Mir war, als spürte ich noch die Liebe und das Lachen der Menschen, die hier vor langer Zeit gewohnt hatten.
Mike hatte mir die Laterne zurückgelassen. Ich nahm sie in die Hand und wanderte mit ihr durch die Zimmer des Erdgeschosses, kletterte auf den Dachboden und wieder hinunter. Es wurde spät, und eigentlich hätte ich schon den langen Rückweg zu unserer holden Frauengruppe antreten müssen, doch ich verschob es immer wieder.
Ich zögerte mit dem Aufbruch bis zur letzten Minute. Plötzlich stand Kane Taggert in der Tür, in jedem Arm einen kleinen Jungen. Vertrauensvoll schmiegten sich die Kinder im Schlaf an ihren Vater - und sie waren das schönste, was ich in meinem Leben gesehen hatte. Ich wünschte, es wären meine eigenen gewesen.
Ich habe mich mal in einen wertvollen Tisch verliebt. Er sollte 30000 Dollar kosten. Ich träumte von ihm, wie Männer von schnellen Sportwagen oder Frauen von einem Mann träumen. Aber nie im Leben habe ich mich so sehr nach etwas gesehnt wie nach diesen beiden schlafenden kleinen Jungen.
Auch wenn Cowboy Taggert mein Todfeind war und wir uns bis aufs Blut haßten, ich mußte einfach eins dieser entzückenden Wesen anfassen. Und ich tat es. Ich erwischte eine schwarze Locke, die sich so weich anfühlte wie Engelshaar.
»Sind sie echt?« fragte ich flüsternd.
Amüsiert antwortete Taggert: »Und wie!«
Meine Hand glitt tiefer und berührte eine weiche Wange. »Aber sie sehen zu vollkommen aus.«
»Das ist mir noch nicht aufgefallen«, brummte er. »Aber wenigstens sind sie jetzt sauber. Sobald sie wach sind, starren sie in spätestens zwei Stunden wieder vor Dreck.«
»Wie heißen die beiden?«
»Jamie und Todd.«
Ohne seine mißtrauischen Blicke zu beachten, berührte ich das andere schlafende Kind. »Wer ist Jamie, und wer ist Todd?«
»Das ist doch unwichtig. Na schön, dieser hier ist Jamie, und dieser hier ist Todd.«
Wie konnte er nur sagen, das sei unwichtig, dachte ich. Dann fiel mir ein: Zwillinge. Mike und Kane sollten ja auch Zwillinge sein, Mikes Söhne waren Zwillinge, also sollten diese beiden Kinder auch Zwillinge sein. Von mir aus konnte die ganze Familie Taggert bekloppt sein. Wenn Kane so tat, als sähen die Kinder gleich aus, dann lag es mir fern, ihm zu widersprechen.
Während ich sie noch betrachtete, wachten sie langsam auf. Sie hatten so dichte Wimpern, daß ich mich fast wunderte, wie sie überhaupt die Lider heben konnten.
Jamie rieb sich mit der Faust die Augen und fragte: »Wo sind wir?«
»Hier hat mal jemand gewohnt«, antwortete ich. »Im Schlafzimmer hängt ein ganz großes Spinnennetz. Möchtest du es gern sehen?«
»Sitzt eine Spinne darin?« fragte Todd, das schöne Köpfchen immer noch an der Schulter seines Vaters.
»Ja, eine große Spinne und ein paar tote Fliegen.«
Vorsichtig streckte ich die Hand aus, und Jamie ergriff sie. Dann streckte Todd die Hand aus. Sekunden später standen die Jungen auf dem Boden, nahmen mich in die Mitte, und so gingen wir in das Schlafzimmer.
Es waren liebenswürdige Kinder: aufgeweckt und neugierig. Sie lachten gern und waren voller Energie. Wir sprachen über Spinnen und ihre Netze, und ich erzählte ihnen in allen Einzelheiten, wie eine Spinne Fliegen fängt und ihr Netz um sie spinnt. Für einige Minuten setzten wir uns auf den Fußboden. Links und rechts hatte ich je einen lebhaften kleinen Jungen im Arm, und wir unterhielten uns.
Ich weiß nicht, was ihr Cowboy-Dad in dieser Zeit tat. Vielleicht stand er noch in der Tür und beobachtete uns. Aber genau weiß ich es nicht, und ich war auch zu sehr mit den Jungen beschäftigt, um mich darum zu kümmern. Nach einer Weile sagte Kane, die Jungen müßten ins Lager zurück und dort zu Bett gehen. Woraufhin meine kleinen Lieblinge aufsprangen und lärmend durchs Zimmer tobten. Ein paar Minuten ließ Kane sie gewähren. Dann packte er Todd am Kragen. Aber Jamie entzog sich seinem Zugriff und versteckte sich hinter meinen Beinen. Auch Todd versuchte, sich zu mir zu flüchten.
»Todd«, sagte ich, »du gehst mit deinem Vater, und Jamie, du kommst mit mir.«
Kaum waren die Worte heraus, da wußte ich, daß ich einen Fehler gemacht hatte. Kane erwartete ja von mir, daß ich die beiden nicht auseinanderhalten könnte. Ich darf mit einigem Stolz sagen, daß ich sofort einen Ausweg fand. Ich behauptete einfach, Todd daran zu erkennen, daß er einen Fettfleck auf dem Hemd
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