Was mit Rose geschah
zusammenbeißen, um nicht laut zu schreien, und als ich gerade in Versuchung gerate, mit Namen und Adresse herauszurücken, damit sie es unter sich ausmachen können, erinnere ich mich an Georgia.
Hen hebt mitfühlend die Augenbrauen, als ich schließlich auflege. »Er freut sich sicher trotzdem. Andrea und ich waren in deiner Abwesenheit übrigens nicht ganz untätig; wir haben einige neue Fälle. Möchtest du sie sehen?«
Ich starre ihn an. »Wie wäre es mit diesem Fall: Wer hat deinen Partner vergiftet – und warum?«
»Und wer übernimmt die Kosten?«
»Ich will wissen, wo Christos Mutter ist. Und was aus Ivos Schwester geworden ist.«
Hen lehnt sich zurück. Sein Stuhl protestiert mit einem Knarren. »Du meinst, die Schwester hätte Christo geboren … Inzest … und dann hätte man sie getötet? Und dass man sie auf dem Black Patch begraben hat?«
»Möglich wäre es.«
»Jedenfalls viel einfacher, als einen Vater zu erfinden, oder?«
»Was ist mit dem Namen Janko? Und warum hat Ivo sich aus dem Staub gemacht? Es hat etwas mit dem Black Patch zu tun, das weiß ich genau.«
Er sieht mich über den Rand seiner Brille hinweg an. Das ist nur Schau – ohne sie ist er vollkommen blind. »Das ist nicht sicher. Du weißt nämlich nicht, ob Ivo von der Leiche weiß. Es könnte auch eine ganz einfache Erklärung geben.«
»Und wenn wir diese einfache Erklärung haben, gebe ich Ruhe. Bis dahin aber …«
Ich habe den Zettel behalten, auf dem Sandra in ihrer kindlichen Handschrift Lulus Adresse notiert hat. Ihn wegzuwerfenhabe ich nicht über mich gebracht. Ich habe gedacht – gehofft –, dass sie mich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus anrufen würde. Dann fällt mir ein, was Hen gesagt hat. Dass sie über mich gesprochen haben. Vielleicht sollte ich mir keine falschen Hoffnungen machen und meinen Stolz bewahren. Andererseits ist Stolz nicht alles. Immerhin hat sie meine Hand gehalten. Doch ich schiebe den Anruf vor mir her, bis ich zu Hause bin.
Zu meiner Überraschung meldet sie sich sofort. Ich hatte vermutet, sie könnte bei der Arbeit sein, und wollte eine Nachricht hinterlassen.
»Sie sind nicht bei der Arbeit?«
»Nein. Wie geht es Ihnen?«
»Gut. Ja. Ich wollte fragen, ob wir uns treffen können.«
Pause.
»Wozu?«
»Wozu? Nun, äh ich würde Ihnen gerne noch einige Fragen stellen.«
»Oh.«
Höre ich Enttäuschung? Mehr sagt sie nicht.
»Sie haben nicht zufällig von Ivo gehört?«, erkundige ich mich.
»Nein.«
»Und von Christo? Gibt es bei ihm etwas Neues?«
Sie seufzt unüberhörbar. »Es ist kompliziert. Ich meine, es ist so weit alles in Ordnung … es geht ihm gut. Ziemlich gut. Ich kann Ihnen davon erzählen, wenn wir uns sehen.«
»Okay.«
Danach schlägt mein Herz wie das eines Sprinters. Ich kann mich nur mühsam davon abhalten, mir einen Drink einzuschenken. Reiß dich zusammen, ermahne ich mich. Nicht jetzt.
Die Boote, die Ruderboote auf dem See, gehen mir nicht aus dem Sinn. Die Farbe des Lacks, das Klatschen und Schwappen des Wassers. Ich möchte so gerne einsteigen und damit wegrudern.Und die Namen: Amy – zwei Personen; Isobel – vier Personen. So praktisch. So großzügig.
Ray – eine Person. So gerade eben.
Da ich noch nicht Auto fahren kann, verabreden wir uns im Pub am Ende der Straße. Ich sitze am Fenster – ich bin natürlich zu früh – und kann die Züge sehen, die mit ihrer arbeitsmüden Fracht über die Brücke rattern. Das Licht verblasst, obwohl der Sommer endlich und mit Verspätung gekommen ist.
Lulu tritt ein und setzt sich leise auf den Stuhl neben mich.
»Ich habe Neuigkeiten für Sie«, sage ich.
Sie sieht mich angstvoll an.
»Es sind gute Neuigkeiten. Wir haben Rose gefunden.«
»Oh, mein Gott! Und es geht ihr – gut? Wirklich?«
»Alles bestens.«
»Oh!« Das muss Lulu erst verdauen. »Die Leiche auf dem Black Patch … die hatte nichts mit Ivo zu tun?«
Ich spüre, wie die Spannung aus ihrem Körper weicht.
»Es ist jedenfalls nicht Rose Wood.«
»Ein glückliches Ende …« Sie hebt lächelnd ihr Glas. »Sollten wir nicht darauf trinken?«
»Noch nicht.«
Ihr Gesicht wird ernst. »Nein. Es ist nicht zu Ende, oder? Da wäre noch die Sache mit Ihnen – und Ivo ist immer noch verschwunden.«
»Ja, genau.«
»Meinen Sie, er hat Ihnen das absichtlich zugefügt? Warum, wenn er nichts zu verbergen hatte? Wenn er nichts mit Roses Verschwinden zu tun hatte?«
Sie zündet sich eine Zigarette an und trinkt einen Schluck
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