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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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war unglaublich.
    An all das erinnere ich mich jetzt mit großer Klarheit, obwohl es mir bei Tageslicht ein bisschen albern erscheint. Ehrlich gesagt wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Der Schnitt selbst ist wohl nicht so schlimm – ich meine, er ist nicht sehr tief und hat aufgehört zu bluten, aber er tut ziemlich weh, und mir wird schlecht, als ich sehe, wie mein Inneres offen an der Luft liegt, also ziehe ich den Ärmel darüber. Den heißen, pochenden Schmerz kann ich nicht verdecken.
    Ich lutsche noch zwei Bonbons – ein orangefarbenes und ein grünes, die sind nicht so lecker. Wonach sollen die eigentlich schmecken? Es sind nur noch vier übrig, und drei davon sind grün. Ich bin unheimlich durstig und muss dringend auf die Toilette. Zum Glück habe ich meine Uhr an und weiß daher, dass Katie vermutlich gerade zur Schule gebracht wird, also ist niemand zu Hause. Vielleicht nur Mrs Williams. Ganz langsam und vorsichtig spähe ich über den Rand meines Nestes und rutschte dann am Strohhaufen hinunter. Der Stall ist luxuriös, es gibt sogar einen Wasserhahn. Ich halte den Kopf darunter und trinke und trinke und versuche dann, das Blut abzuwaschen. Subadar schaut sich freundlich um. Ich bemerke, dass er an einem Ring in der Wand angebunden ist, vermutlich soll er nicht das ganze Heu auf einmal fressen. Er hat Futter in der Raufe, also war heute Morgen jemand hier und hat nichts gemerkt. Ein warmes Gefühl durchströmt mich. War es Katie? War sie in meiner Nähe, während ich geschlafen habe?
    Ich pinkle endlos lang in die Rinne, die an den Boxen vorbeiführt und sicher für die Pferde bestimmt ist, und mittendrin fällt mir ein, dass heute Samstag ist. Also geht Katie gar nicht zur Schule. Sie kann jeden Augenblick hereinkommen. Zum Glück tut sie das nicht – ich glaube, ich hätte einfach nicht aufhören können zu pinkeln, egal, was passiert. Danach sause ich zurück in mein Versteck und lege mich hin. Ich fühle mich nicht so toll. Mir ist schlecht, mein Kopf tut weh, vermutlich vom Whisky, und die ganzen Kratzer und Schnitte melden sich mit unterschiedlicher Schärfe und Hitze. Bald werde ich furchtbar hungrig sein. Und dann – aber erst dann – werde ich mir überlegen müssen, was ich tue.
    Als ich wieder aufwache, weiß ich, ohne auf die Uhr zu sehen, dass es Nachmittag ist. Wo sind sie alle? Lässt sie ihr Pferd den ganzen Tag allein? Sie wird doch sicher mit ihm ausreiten. Ich bin völlig ausgehungert und lutsche die restlichen Bonbons, auch die grünen. Welchen Sinn soll es haben, etwas aufzuheben? Aber wenn ich mir etwas in den Mund stecke, wird der Hunger nur noch schlimmer. Meine Kopfschmerzen sind weg, aber der Schnitt an meinem linken Arm juckt wie verrückt. Ich ziehe den Ärmel hoch und stelle fest, dass die Haut rot, geschwollen und heiß ist – ich spüre die Hitze, als ich den Arm an die Lippen halte. Das rohe Fleisch ist widerlich – feucht und verkrustet zugleich. Das ist nicht gut, so viel weiß ich – die Wunde muss desinfiziert, vermutlich auch genäht werden. Und meine rechte Hand ist vollkommen steif und angeschwollen, zu einer Kralle gekrümmt, so dass ich sie kaum gebrauchen kann. Ich frage mich, ob ich noch eine Nacht durchhalte.
    Die Sache ist … okay, also, die Sache ist die, Katie und ich sind kein Paar. Mehr noch, ich habe in den letzten beiden Wochen kaum mit ihr gesprochen. Seit dem Nachmittag in ihrem Zimmer, an den ich mindestens tausendmal am Tag gedacht habe, ignorieren wir einander wieder wie früher. In der Schule hatteich damit gerechnet und war daher nicht überrascht. Es machte mir auch nicht viel aus. Am zweiten Tag zog sie die Augenbrauen hoch, und ich lächelte, bevor ich mich bremsen konnte, und sie wandte sich blitzschnell ab und warf die Haare nach hinten. Mir war, als hätte ich eine Prüfung nicht bestanden, und war sauer, weil ich mich so uncool verhalten hatte. Stella hatte öfter mit mir geredet, und ich überlegte, ob Katie ihr etwas erzählt hatte. Ich glaube nicht. Sie sagte nichts, was mich vermuten ließ, dass sie wusste, was geschehen war; sie benahm sich normal und freundlich, so wie damals, bevor sie zu uns in den Wohnwagen kam und alles schieflief.
    Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Katie auch an mich dachte. Ich ahnte, dass ich sie noch einmal außerhalb der Schule sehen würde – nicht hier, nachdem ich in ihren Stall eingestiegen bin –, ich meine richtig. Weil sie es wollte. Ich weiß, dass es sehr riskant ist, sie hier zu

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