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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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fluchtartig das Land verlassen müssen?
    Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen?
    Und was um Himmels willen hat sie in dieser riesigen Tasche, das sie den ganzen Tag mit sich herumschleppen muss? Ihr Portemonnaie, Zigaretten, eine Auswahl roter Lippenstifte … einen Jahresvorrat an Feindseligkeit … ein Sparangebot Missbilligung …
    Den geheimen, unerklärlichen Bauplan all meiner Sehnsüchte und Freuden?
    Wie ist er nur dort hingekommen?

33
    JJ
    Der Schmerz weckt mich auf. Ich komme zu mir, habe aber keine Ahnung, wo ich bin. Ich liege zusammengerollt da, umgeben von etwas Stacheligem. Ein seltsamer Geruch. Etwas Hartes drückt in meine Hüfte. Meine rechte Faust pocht, und ich kann meine Finger nicht gerade machen.
    Als ich mich bewege, raschelt es um mich herum. Ansonsten ist es sehr still. Dann höre ich, wie irgendwo in der Nähe ein Motor angelassen wird – ein leiser teurer Motor – und ein Wagen davonfährt. Jetzt fällt mir wieder ein, wo ich bin. Ein leises Poltern ertönt ganz in der Nähe, das Pferd geht in seiner Box herum. Es schnaubt hörbar. Ein angenehmes Geräusch. Es war richtig, hierherzukommen, denke ich. Alles wird gut.
    Letzte Nacht musste ich in den Stall einsteigen: Die Tür war zu meiner Überraschung abgeschlossen. Ich war nicht auf die Idee gekommen, dass Leute ein Pferd nachts einschließen, doch zum Glück stand ein Fenster offen, und ich kletterte hindurch, wobei ich mir am Fensterrahmen ganz schön die Hüfte aufschürfte. Das Pferd bewegte sich, schien aber nicht sonderlich beunruhigt. Es machte jedenfalls keinen Lärm. Ich sprach leise mit ihm und rief ihm in Erinnerung, wer ich war. Ich konnte seine Augen in der Dunkelheit schimmern sehen. Es schien nur ein bisschen neugierig, sonst nichts.
    Ich wollte kein Licht einschalten, aber ich erinnerte mich, dass der Stall in drei Boxen geteilt ist und am Ende ein kleines Abteil für das Sattelzeug hat. Die hölzernen Zwischenwände reichten nicht bis zur Decke. In der letzten Box steht Subadar;in der mittleren liegen nur ein paar Heuballen und irgendwelcher Kram, und in der ersten bewahren sie das Stroh für seine Unterlage, Futter, Werkzeug und so weiter auf. Dort hatte ich einen großen Strohhaufen gesehen, aber das war schon ein paar Wochen her, und er war inzwischen geschrumpft. Ich stieg hinein, machte eine Art Kuhle, damit man mich von der Tür aus nicht sehen konnte, und häufte eine Menge Stroh über mich. Heikel wurde es nur, als ich noch einmal hinunterkletterte, um mir eine der gestreiften Pferdedecken zu holen. Ich dachte, das würde Subadar schon nichts ausmachen. Dabei trat ich allerdings gegen einen Metalleimer, der mit einem furchtbaren Geschepper umkippte und über den Steinboden rollte. Ich erstarrte, meine Achselhöhlen wurden feucht. Bestimmt würden gleich alle Lampen angehen und Sirenen ertönen, aber es passierte nichts. Ich nehme an, Subadar tritt öfter mal einen Eimer um. Ich stieg auf mein Strohbett, legte mich hin und zog mir die Decke über den Kopf. Vollkommen erschöpft kicherte ich vor mich hin, weil ich sozusagen im Eimer war.
    Um mich zu beruhigen, trank ich noch etwas Whisky und aß Bonbons, die ich natürlich rationiert hatte, und dann kann ich mich an nichts mehr erinnern.
    Je länger ich wach bin, desto genauer erinnere ich mich an letzte Nacht und desto klarer wird mir, wie tief ich in der Patsche sitze. Meine rechte Hand, mit der ich das Fenster des letzten Wagens eingeschlagen habe, ist dunkelrot und angeschwollen. Die Knöchel sind blau und voll getrocknetem Blut. Die Haut an meinen Hüftknochen ist ganz wund, wo ich am Fenster entlanggestreift bin, und ich habe einen langen tiefen Kratzer an der Seite – keine Ahnung, woher der stammt. Am schlimmsten aber fühlt sich mein Arm an. Ich weiß noch, wie ich den gläsernen Dolch in die Haut über meinem Handgelenk gebohrt habe, aber die Erinnerung daran ist seltsam unpersönlich – als hätte sich jemand anders die Verletzung zugefügt, ein Verrückter, den ichaus irgendeinem Grund beobachtet habe. Ich wollte mich nicht umbringen, so blöd bin ich nicht. Ich wusste nur, dass ich das tun musste, so als würde ich eine Blase aufstechen. Das Gift herauslassen. Es war entsetzlich und faszinierend. Nicht einfach, trotz des Whiskys. Ich musste meine rechte Hand mit Gewalt dazu zwingen, als wollte jemand gleichzeitig meinen Arm wegziehen.
    Ich musste die Zähne zusammenbeißen.
    Aber das Gefühl, als das Blut hervorquoll und über meinen Arm lief,

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