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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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Decke vom Fluss her unter den Erlen ausbreitet.
    Am südlichen Rand der Baustelle steht ein kleines grünes Zelt. Das Wasser hat es nicht erreicht. Noch nicht.
    Die Situation ist nicht gerade vielversprechend. Ich muss jemanden, der hier das Sagen hat, davon überzeugen, dass wir etwas haben, das sie vielleicht brauchen. Ich habe Abzüge von Roses Fotos mitgebracht; mehr kann ich nicht bieten.
    Polizisten in billigen Regenmänteln wimmeln wie Ameisen um das Zelt herum. Der Schlamm saugt an meinen Stiefeln, als ich auf sie zuwate.
    Ich treibe den verantwortlichen Detective Inspector auf, einen Mann mit braunen Augen und dunklen Ringen darunter, der Haut eines Rauchers und etwas zu langem Haar, mit dem er – wie er vielleicht glaubt – einem alternden türkischen Filmstar ähnelt. Er heißt Considine.
    »Ray Lovell.« Ich zeige ihm meine Lizenz. »Wann ist das passiert?«
    Er schaut mich herablassend und gelangweilt an; sein Ausdruck sagt mir, dass er mir überhaupt nichts sagen muss.
    »Was genau haben Sie hier zu suchen?«
    Das habe ich schon zwei seiner Untergebenen erklärt, aber es gehört wohl zum Spiel, also mache ich mit.
    »Man hat mich beauftragt, eine vermisste Person zu suchen. Eine 19-jährige Frau, die vor etwa sechs Jahren in dieser Gegend verschwunden ist.«
    Ich reiche ihm den fotokopierten Flyer mit den beiden Fotos von Rose – dem vom Rennen und dem Schnappschuss von der Hochzeit. Er wirft einen kurzen Blick darauf, ohne allzu viel Interesse zu zeigen.
    »Das sieht nicht mal aus wie dieselbe Person«, sagt er, und in seiner Stimme liegt Verachtung.
    »Die Fotos wurden im Abstand von zwei Jahren aufgenommen. Das hier ist neuer.«
    Ich tippe auf das Hochzeitsfoto. Im Grunde hat er recht. Irgendwie hat das Fotokopieren die Unterschiede verstärkt: das sorglose Mädchen mit dem entschlossenen Kinn und dem heimlichen Lächeln und die zaghafte, unsichere Braut – sie scheint schon auf dem Foto zu verschwinden.
    »Es ist dieselbe Frau. Sie heißt Rose Wood. Verheiratete Rose Janko.«
    »Janko? Was für ein Name ist das?«
    »Ein Roma-Name. Osteuropäische Herkunft. Englische Familie.«
    Er knurrt etwas. Nicht abfällig, wie das sonst viele Leute tun. Er wirkt fast interessiert. Ich frage mich, ob er selbst Roma-Vorfahren hat, aber darauf spricht man einen Polizisten bei der ersten Begegnung nicht an.
    »Etwa sechs Jahre? Geht das nicht genauer?«
    »Die Berichte stimmen nicht überein. Januar oder Februar 1980. Sie ist definitiv im Winter verschwunden.«
    »Na dann, vielen Dank.« Es klingt nicht so, als ob er es abtut.
    »Und was ist hier passiert?« Ich biete ihm eine Zigarette an und nehme auch eine, um ihm Gesellschaft zu leisten. Dann hole ich mein Feuerzeug heraus. Wir stehen da wie zwei alte Kumpel, die auf einem schlammigen Feld im Regen rauchen.
    Er wägt ab, wie wenig er mir sagen soll.
    »Ein Bagger hat Knochenstücke ausgegraben. Jemand hat sie entdeckt und uns gerufen.«
    »Ist es das erste Mal an dieser Stelle? Ich meine, ich habe gehört, dass es hier ein Massengrab für Pestopfer gegeben hat – da müsste man doch öfter Knochen finden.«
    »Ach so. Nein, es ist das erste Mal. Ich glaube, das Pestgrab ist nur ein Gerücht, das von den Einheimischen in Umlauf gebracht worden ist. Oder es liegt tiefer als die Baugrube.«
    »Diese Knochen wurden unmittelbar unter der Oberfläche gefunden?« Ich versuche, beiläufig zu klingen, aber mich überkommt eine gewisse Aufregung.
    »Hören Sie, ich sage Ihnen, was ich weiß, und dann verpissen Sie sich, einverstanden? Es ist ohnehin nicht viel.«
    Ich nicke. »Klar.«
    »Sie liegen etwa einen Meter unter der Oberfläche. Der Bagger hat genau in dieser Tiefe reingegriffen und zugepackt – es dürfte ein Albtraum sein, die Splitter zusammenzusetzen, selbst wenn wir alle Teile finden. Alles liegt kreuz und quer.«
    »Alter und Geschlecht?«
    »Dazu kann ich noch nichts sagen. Wir haben ein paar Stücke von Rippe, Arm und Wirbelsäule gefunden. Alles Weitere wird man erst im Labor herausfinden, und bei dem Tempo, in dem diese Schweinehunde arbeiten, könnte man glauben, dass sie nach Stunden bezahlt werden.« Er zuckt mit den Schultern. »Das sage ich Ihnen nur, weil Sie mir das mitgebracht haben.«
    Er wedelt mit dem Flyer, und ein fetter Regentropfen fällt auf Roses fotokopiertes Gesicht. Ich kämpfe gegen den Drang, ihm das Papier zu entreißen.
    »Danke vielmals.«
    »Aber erzählen Sie es nicht herum. Das brauche ich Ihnen wohl nicht zu

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