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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
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attackierten ist, dann zieht sie Nutzen aus dem internen »Gespräch« zwischen den Blättern der anderen. Die Nachbarpflanze belauscht eine in der Nähe geführte olfaktorische Unterhaltung, die ihr sehr wichtige Informationen gibt, um sich selbst zu schützen. In der freien Natur reicht dieses Geruchssignal mindestens einige Meter weit (unterschiedliche flüchtige Verbindungen verbreiten sich, je nach ihren chemischen Eigenschaften, über kürzere oder auch wesentlich längere Distanzen). Bei Limabohnen, die von Haus aus gerne dicht beieinander wachsen, genügt diese Reichweite, um sicherzustellen, dass die Nachbarn es erfahren, wenn eine Pflanze in Not gerät.
    Was genau riechen die Limabohnen, wenn ihr Nachbar angefressen wird? Eau de Lima ist, genau wie das Eau de Tomate , das bei dem Versuch mit dem Teufelszwirn beschrieben wurde, eine komplexe Mischung von Aromen. Im Jahr 2009 arbeitete Heil mit Kollegen aus Südkorea zusammen und analysierte die verschiedenen flüchtigen Verbindungen, die die befallenen Blätter ausschieden, weil er den chemischen Botenstoff identifizieren wollte. 27 Ziel war, den einen chemischen Stoff herauszufinden, der für die offenkundige Kommunikation mit anderen Blättern verantwortlich war. Dazu verglich man die chemischen Verbindungen, die die Blätter nach einer Infektion mit Bakterien abgaben, mit denen nach einer Fressattacke von Insekten. In beiden Fällen wurden ähnliche flüchtige Gase ausgeschieden, aber zwei Gase unterschieden sich. Die Blätter, die von Bakterien angegriffen wurden, emittierten ein Gas namens Methylsalicylat, die von Käfern befallenen Blätter jedoch nicht. Diese produzierten ein Gas namens Methyljasmonat.
    Methylsalicylat weist strukturell eine große Ähnlichkeit mit Salicylsäure auf. Salicylsäure ist in großen Mengen in der Rinde von Weiden zu finden. Der griechische Arzt Hippokrates beschrieb schon im Altertum eine bittere Substanzaus Weidenrinde, die Schmerzen lindern und Fieber senken konnte – Salicylsäure, wie wir heute wissen. Auch andere alte Kulturen im Nahen Osten nutzten Weidenrinde als Medizin, ebenso amerikanische Indianer. Heute, einige hundert Jahre später, wissen wir, dass Salicylsäure der chemische Vorläufer des in Aspirin enthaltenen Wirkstoffes ist (der Acetylsalicylsäure). Salicylsäure selbst ist ein Hauptbestandteil vieler moderner Waschcremes gegen Akne.
    Nun ist zwar die Weide als Produzentin von Salicylsäure bekannt, doch tatsächlich stellen – in unterschiedlichen Mengen – alle Pflanzen diesen Stoff her. Außerdem produzieren sie Methylsalicylat (das übrigens ein wichtiger Bestandteil der Bengay-Salbe ist). Aber warum sollte eine Pflanze eine auf Menschen schmerzlindernd und fiebersenkend wirkende Substanz erzeugen? Natürlich wird die Salicylsäure genauso wenig zu unserem Nutzen erzeugt wie alle anderen phytochemischen (von Pflanzen erzeugten) Stoffe. Für die Pflanzen ist Salicylsäure ein »Verteidigungshormon«, das ihr Immunsystem aufrüstet. Pflanzen produzieren sie, wenn sie von Bakterien oder Viren angegriffen wurden. Salicylsäure ist wasserlöslich und wird genau an der infizierten Stelle abgegeben, um der übrigen Pflanze durch die Leitbündel zu signalisieren, dass Bakterien im Anmarsch sind. Die gesunden Teile der Pflanzen reagieren darauf und leiten mehrere Schritte ein, die die Bakterien entweder töten oder zumindest ihre Ausbreitung eindämmen. Dazu gehört etwa, dass eine Barriere aus abgestorbenen Zellen um die infizierte Stelle errichtet wird, die das Weiterwandern der Bakterien zu anderen Teilen der Pflanze blockiert. Manchmal können Sie solche Barrieren auf Blättern sehen: Sie erscheinen alsweiße Flecken. Diese Flecken sind Blattbereiche, in denen Zellen buchstäblich Selbstmord begangen haben, damit die Bakterien in ihrer Nähe sich nicht mehr weiter verbreiten können.
    Im Großen und Ganzen dient Salicylsäure bei Pflanzen und Menschen ähnlichen Zwecken. Pflanzen nutzen sie dazu, Infektionen abzuwehren (also Krankheiten). Die Menschen wenden Salicylsäure seit der Antike an und verwenden das moderne Derivat Acetylsalicylsäure, wenn sie eine Infektion mit Schmerzen haben.
    Zurück zu Heils Versuchen: Seine Limabohnen gaben nach einem Bakterienangriff Methylsalicylat ab, eine flüchtige Form von Salicylsäure. Diese Ergebnisse bestätigten Forschungen, die zehn Jahre früher Ilya Raskin im Labor an der Rutgers University durchgeführt hatte. Er hatte gezeigt, dass Methylsalicylat die

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