Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
Vom Netzwerk:
Pflanzen erkennen einen flüchtigen chemischen Stoff in der Luft und setzen dieses Signal (wenn auch ohne Nerven und Neuronen) in eine physiologische Reaktion um.
    Wenn also Pflanzen auf ihre ganz eigene Weise ohne olfaktorische Nerven »riechen« können, können sie dann vielleicht auch ohne sensorische Nerven »fühlen«?

Was eine Pflanze fühlt
    Ich werde hundert Blumen berühren,
    und keine einzige pflücken.
    Edna St. Vincent Millay, Afternoon on a Hill
    Die meisten von uns haben jeden Tag mit Pflanzen zu tun. Manchmal empfinden wir Pflanzen als weich und angenehm zum Beispiel Gras in einem Park, wenn wir uns ein Mittagsschläfchen gönnen oder wenn frische Rosenblütenblätter auf seidene Bettwäsche gestreut werden. Dann wieder sind sie borstig und stachlig: Wir müssen lästige Dornen umgehen, um an die Früchte am Brombeerbusch zu gelangen, wenn wir durch den Wald streifen, oder wir stolpern über eine knorrige Baumwurzel, die sich durch die Straße nach oben gekämpft hat. Aber in den meisten Fällen bleiben die Pflanzen passive Gegenstände, reglose Gebilde, mit denen wir umgehen, die wir aber gleichzeitig auch ignorieren. Wir zupfen die Blütenblätter von Gänseblümchen oder Margeriten ab. Wir sägen Zweige von unansehnlichen Ästen ab. Was, wenn die Pflanzen wüssten, dass wir sie anfassen?
    Wahrscheinlich ist man ein bisschen überrascht und vielleicht sogar unangenehm berührt, wenn man erfährt, dass Pflanzen es merken, wenn sie angefasst werden. Mehr noch, sie können zwischen heiß und kalt unterscheiden und wissen, wann ihre Äste im Wind schwanken. Pflanzen spüren direkten Kontakt: Manche, wie etwa Kletterpflanzen, fangen sofort an, schneller zu wachsen, wenn sie Kontakt mit einem Gegenstand wie einem Zaun bekommen, um den sie sich herumwickeln können. Die Venusfliegenfalle klappt gezielt ihre Fangblätter zu, wenn ein Insekt auf ihnen landet. Und anscheinend mögen es Pflanzen nicht, wenn man sie zu oft berührt, denn schon eine Berührung oder das Schütteln einer Pflanze kann dazu führen, dass sie ihr Wachstum einstellt.
    Natürlich »fühlen« die Pflanzen nicht im üblichen Sinn des Wortes. Pflanzen spüren kein Bedauern und entwickeln kein Empfinden für einen neuen Job. Sie haben keine intuitive Wahrnehmung eines mentalen oder emotionalen Zustands. Aber Pflanzen nehmen taktile Reize wahr, und manche »fühlen« sogar feiner als wir. Pflanzen wie die Haargurke (Sicyos angulatus) sind bis zu zehnmal berührungsempfindlicher als wir. Ranken einer Haargurke können eine Schnur spüren, die nur ein Viertel eines Gramms wiegt. Das genügt, damit sich die Ranke um einen Gegenstand in der Nähe zu wickeln beginnt. Die meisten Menschen können hingegen ein sehr leichtes Stück Schnur erst spüren, wenn es ungefähr zwei Gramm wiegt. Aber unabhängig von der Berührungsempfindlichkeit weisen Pflanzen und Menschen überraschende Ähnlichkeiten beim Spüren einer Berührung auf.
    Unser Tastsinn übermittelt uns sehr unterschiedliche Empfindungen, von einer schmerzhaften Verbrennung biszum zarten Hauch einer Brise. Wenn wir mit einem Gegenstand in Kontakt kommen, werden Nerven aktiviert, die ein Signal ans Gehirn schicken, das die Art der Berührung mitteilt – Druck, Schmerz, Temperatur und mehr. Alle physischen Reize werden von unserem Nervensystem über spezifische sensorische Neuronen in der Haut, den Muskeln, Knochen, Gelenken und inneren Organen wahrgenommen. Durch die Aktivierung verschiedener Arten von sensorischen Neuronen erleben wir ein breites Spektrum an körperlichen Wahrnehmungen: Kitzeln, scharfen Schmerz, Hitze, leichte Berührung und dumpfen Schmerz, um nur einige zu nennen. Genau wie unterschiedliche Arten von Photorezeptoren für verschiedene Lichtfarben zuständig sind, sorgen auch unterschiedliche sensorische Neuronen für verschiedene taktile Erfahrungen. Eine Ameise, die über Ihren Arm krabbelt, aktiviert andere Rezeptoren als eine tiefe Schwedische Massage im Kurort. Unser Körper hat Rezeptoren für Kälte und solche für Hitze. Aber alle diese sensorischen Neuronen arbeiten im Grunde auf die gleiche Weise. Wenn man etwas mit den Fingern berührt, leiten die sensorischen Neuronen für Berührung (die man Mechanorezeptoren nennt) ihr Signal an ein Nebenneuron, das mit dem Zentralnervensystem im Rückenmark verbunden ist. Von dort aus übertragen andere Neuronen das Signal ans Gehirn, das uns wissen lässt, dass wir etwas gespürt haben.
    (11) Haargurke (Sicyos

Weitere Kostenlose Bücher