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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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Vergangenheit.
    »Es ist ein Einmannzelt«, beruhigt er uns. »Zum Aufblasen. Keine Stangen mehr. Ich wollte erst so ein Wurfzelt, das sich mit einem Ruck aufbaut, aber die aufblasbaren, das sind momentan die besten auf dem Markt.«
    »Mich kriegst du da nicht rein, Hase! Mein Rücken tut mir jetzt schon weh.«
    »Keine Sorge, ihr Mädels schlaft schön warm oben auf der Hütte. Schafft ihr das letzte Stück alleine, ihr Emanzen?«
    Wir nicken. Er wühlt im Rucksack und holt die Sachen für Tamara heraus. Wärmende Schuheinlagen aus Gel, Moskitonetz, Wasserfilter, eine Dose Elektrolyt-Glukose-Pulver, Minithermoskanne, Höhenmesser, Kompass, Digitalthermometer – »zeigt auch die Luftfeuchtigkeit an« –, Imprägnierspray für Textilien. Er muss das halbe Inventar von Globetrotter erstanden haben. Kein Wunder, dass der Rucksack platzt.
    »Das GPS -Gerät behalte ich lieber bei mir, wer weiß«, sagt der Fachmann. Er legt Funktionsunterwäsche, Handschuhe, Polartecmütze, Powerstretchkapuzenjacke und einen insektenabwehrenden Damenschlafanzug für seine Liebste heraus.
    »So ein Mist, jetzt habe ich die Socken vergessen. Die sind aus Coolmaxfasern. Haben 25 Prozent mehr Oberfläche.«
    Er flucht, Tamara rollt die Augen. Dietmar reicht ihr ein First-Defense-Pfefferspray, »mit Bagsystem, kannst du über Kopf sprühen«. Damit lassen sich Einbrecher, Bären, tollwütige Hunde und sicher auch die aufdringlichen Keas vertreiben. Die grünen Bergpapageien klauen Essen, Geldbeutel, Schuhe, aber stehen unter Artenschutz. Das K. o. durch Cayennespray würde garantiert eine Strafanzeige nach sich ziehen.
    »Ich sehe euch dann morgen beim Frühstück. Hier, das kannst du dir warm machen.« Er reicht Tamara eine flache Konservendose aus der Reihe ›Trekkingmahlzeiten‹. ›Cheeseburger‹ steht darauf. »Musst du nur zehn Minuten im Wasserbad erhitzen, Mausi.«
    Sie schaut ihn an, als ob er ihr die Errichtung des Iglus erklärt hat, das kurz vor dem Südpol im Blizzard ihr Überleben sichern soll. Ich packe derweil so viel ich kann von ihren Sachen in meinen Rucksack. Hase und Mausi busseln sich, dann nimmt er einen langen Schluck aus dem Edelstahlflachmann und drückt ihr ein Bündel Geldscheine in die Hand. Als die ersten Tropfen fallen, sind wir wieder unterwegs.
    Mit einem überfüllten Rucksack bergauf zu laufen ist etwas anderes, als einfach nur bergauf zu laufen. Es bedeutet, alle zehn Schritte stehen zu bleiben und ein gedämpftes »Fuck« gegen alles und jedes auszustoßen. Vor allem gegen rutschige Steine, die höher als Treppenstufen sind. Ich fantasiere vor mich hin, was ich zurücklassen könnte. Brauche ich wirklich Essen und einen Schlafsack? Kann man nicht drei Tage nur mit Wasser überleben?
    Der Regen wird heftiger. Ich drehe mich nach Tamara um. Die letzte halbe Stunde haben wir kaum miteinander gesprochen. Nachdem sie mir minutiös die Luxuspressereise in der Karibik beschrieben hat, auf der sie Dietmar Sägel kennenlernte – »den Yachtbesitzer kannte er noch aus Wimbledon, und der hat uns dann im letzten Sommer nach Marbella eingeladen, zu Hubsi von Hohenlohes Party. Ach, da könnte ich sofort hinziehen!« –, haben wir uns nicht mehr wirklich viel zu sagen. Soll ich ihr etwa von Millie, dem Schaf, erzählen? Von unserem Traum, irgendwann ein Stückchen Land an der wilden Westküste zu haben, wo die Sandfliegen die Touristen vertreiben und wir in Gummistiefeln Treibholz fürs Lagerfeuer sammeln? Wo die schönste Unterkunft eine verwitterte Strandhütte ohne Strom ist, mit Plumpsklo im Freien? Von Seevögeln, Nikaupalmen zwischen Felsen, ungestümer Brandung und Nachbarn, die einem frisch gefangene Flundern vorbeibringen? Ich halte sie für eine junge Tussi, sie mich für einen alten Hippie, so viel ist klar. Sie humpelt mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter mir und wimmert alle paar Meter. Ihre Füße haben Blasen, so viel ist auch klar.
    »Wir haben’s gleich geschafft, Tamara.« Ich keuche, während mir der Regen vom Kapuzenrand ins Gesicht tropft. Eindeutig ein Materialfehler. »Die Falls Hut gilt als eine der besten Hütten in Neuseeland. Ist noch ziemlich neu.«
    »Ich brauche sofort eine heiße Dusche, sonst sterbe ich!«
    »Es gibt da keine Duschen. Aber Toiletten mit Spülung. Und 48 Betten, so viel ich weiß.«
    Das war wohl nicht, was sie hören wollte.
    »Wie soll denn eine Toilette ohne Spülung funktionieren?«
    Auf den letzten Metern hört der Regen plötzlich auf, und die Sonne
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