Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
hätte. Bei der Reisegruppe am Nachbartisch kommt Unruhe auf. Die Kellnerin fragt, ob zusammen gezahlt wird. Das war keine gute Idee.
»Meine Frau, die hatte aber nur einen kleinen Salat«, beklagt sich der Postkartenprofi. Auch die anderen sehen aus, als ob sie einer weiteren unzumutbaren Strapaze ausgesetzt werden. Verbissen, unzufrieden, und immer mit der Angst im Nacken, dass sie nicht genug für ihr Geld kriegen. Ein jüngerer Mann verhandelt leise mit der Kellnerin – wahrscheinlich der Reiseleiter. Was für ein harter Beruf.
Auch Dietmar Sägel hat die Diskussion am Nebentisch verfolgt.
»Da zahlen die Tausende von Euro, um hierherzufliegen, aber können keine drei Dollar spendieren? Mann, Mann, Mann.«
Er schüttelt den Kopf, fischt sein Bündel Geldscheine aus der Brusttasche und legt die Hälfte davon auf unseren Tisch.
»Geht heute alles auf mich, Leute.«
Jetzt lächelt er auch Sonja Halverstamm an, die gerade eine Blaubeere vom Nachtisch des Regisseurs nascht. Ihr Abend scheint gerettet. In dem Moment fällt es mir wieder ein. Ditze wollte doch Infos für irgendein Buch sammeln.
»Sag mal, an was recherchierst du hier eigentlich?«, frage ich ihn beim Aufstehen.
»Ach, es geht um interessante Deutsche«, sagt er in beiläufigem Ton, dreht sich schnell von Sonja Halverstamm weg und stopft das Jeanshemd fester in den Gürtel. »Reden wir morgen drüber. Alles easy. Erst mal ausschlafen.«
Die Masche kenne ich noch von früher, aus der Tennissocken-Ära. Je harmloser Ditze das Geplänkel mit ›interessanten Deutschen‹ einleitete, desto brutaler war das, was anschließend kam: Erpressung, Enthüllung, Schande. Die B-Promis von dieser Klassenfahrt nach Neuklischeeland geben für große Skandale eigentlich nicht genug her. Aber Ditze ist ein alter Profi. Irgendeine Fährte wird er wohl haben. Das Face 2000?
Vor dem Restaurant wartet die Newmann’s-Reisegruppe auf ihren Bus und macht die interne Hackordnung klar. Eine Frau mit getönter Kurzwelle ist nicht zu überhören.
»Klaus, hast du gesehen, wie dieser Sachse wieder als Erster an der Kaffeemaschine war?«, zischt sie und stupst ihren Mann an. »Die haben schon eine andere Art, die aus dem Osten. Können einfach nicht warten.« Ein Ehepaar stößt dazu. Alle vier schütteln sie den Kopf. »Da haben wir Milliarden in die neuen Bundesländer gepumpt, na, aber solche Reisen, die können sie sich dann plötzlich leisten.«
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Das Wandern ist des Müllers Lust
TAMARA UND DIETMAR stapfen in ihrer Survivalmontur vor mir her. Seit Baxters Hawaiigeburtstag war ich nicht mehr auf einer Verkleidungsparty, aber jetzt werde ich entschädigt: Gamaschen um die Unterschenkel, Mützen mit herabfallenden Sonnenschutzklappen auf dem Kopf, ausziehbare Trekkingstöcke in den Händen und eine olfaktorische Spur ihres chemisch riechenden Moskitosprays nach sich ziehend. Zwei Mediengeschöpfe aus der Metropole, die sich den Gefahren des Dschungels stellen. Bisher haben sich weder Tsetsefliegen noch Giftschlangen blicken lassen. Im Sumpf versinkt man auf dem sauber mit Kies bestreuten Pfad auch nicht. Lästig können höchstens die Sandfliegen werden. Ein paar dunkle Wolken ziehen am Horizont auf, aber noch scheint die Sonne. Dietmar schwärmt mir in höchsten Tönen von seiner Tochter aus erster Ehe vor, »keine 14, aber schon Model«, die aufs Internat Luisenlund geht und »Tamaras kleine Schwester« sein könnte. Sie klingt wie ein durch und durch verwöhntes Gör, das ihrem Papi einen Luxusartikel nach dem anderen aus dem Kreuz leiert. Bin ich froh, dass er das Mädchen zu Hause gelassen hat.
Mein Rucksack ist schwer. Schlafsack, Taschenlampe, Wechselklamotten, Regenjacke und -hose, Trockenobst, Tütenmahlzeiten, Schokoriegel, Kochgeschirr, Taschenmesser, Verbandszeug. Und eine Notration Lakritze, die ich immer von den Päckchen abzweige, die meine Jungs von den Großeltern und Tanten bekommen. Der Rucksack von Ditze sieht noch dreimal schwerer aus. Was hat er außer seiner Hightechausrüstung bloß alles eingepackt – eine Kiste Bier? Tamara trägt einen kleinen Trinkrucksack auf den schmalen Schultern und läuft entsprechend beschwingt. Alle paar Minuten nuckelt sie am Ende des Plastikschlauchs, der ihr über die Schulter baumelt. Sie trägt das Wasser, ihr Hase muss das Gepäck schleppen. Das sollte für einen echten Camel-Cowboy kein Problem sein.
Die Bäume um uns herum sind verwunschen, bemoost, tiefgrün. Otto würde
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