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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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zwei Wochen Abstand, in denen keine einzige Bemerkung übers Wetter fallen darf. Stefanie hört in der Zeit nicht mal Nachrichten.
    An unserem Nachbartisch werden gerade Ansichtskarten beschriftet.
    »Du kannst Tante Hildegard aber nicht wieder das Gleiche schicken wie Onkel Ernst«, mahnt eine der rüstigen Damen ihre bessere Hälfte und zieht ein Tempotaschentuchknäuel aus dem Pulloverärmel.
    »Ich hab doch verschiedene Vordrucke«, brummelt es zurück. »Da gibt es keine Überschneidungen.«
    Der Mann mit dem Postkartenhaufen hat einen computerausgedruckten Bogen mit abziehbaren Textversionen vor sich liegen. Die klebt er reihum auf die Karten. Für die Adressen hat er ebenfalls Sticker. Nur so lässt sich wohl das Pensum bewältigen. Ich lausche genauer hin. Seine Frau erklärt ihrer Tischnachbarin weitere Vorbeugemaßnahmen. Ihr Mann habe für jeden Zwischenstopp einen anderen Kofferanhänger, immer mit der nächsten Hoteladresse. »Man weiß ja nie, was hier alles passiert.«
    Stefanie hat mir mal erzählt, worüber sich ihre Gäste beim Reiseveranstalter schriftlich beklagen. Ihre Hitliste:
     
Die Reiseleiterin hat ihre Mütze beim Essen aufbehalten (es war im Fish-’n’-Chips-Lokal).
Die Reiseleiterin hat sich während der Fahrt abgeschnallt (der Bus fuhr gerade rückwärts).
Die Reiseleiterin hat keine Uhr getragen (keine näheren Angaben).
Der Bus war alt (er hatte keine Kopfstützen).
Ehepaar Thonnsen musste sich in Napier das Bad mit Dr. Beuler teilen (den sie duzten, denn das ist so Usus auf Neuseelandreisen, aber einen Titel kann man dabei nicht einfach übergehen).
Das Hotelzimmer in Rotorua war nicht sauber genug (der Gast stieg auf einen Stuhl, wischte zum Beweis mit dem Finger über den Türrahmen und setzte den staubigen Fingerabdruck unters Beschwerdeschreiben).
    Die Kellnerin stellt einen Teller mit Hummus, Pesto und Ciabatta-Scheiben vor Hagen Windfurch ab. Sonja Halverstamm rückt dem Regisseur jetzt eindeutig auf die Pelle, aber lässt Sägel dabei nicht aus den Augen. Für Ditze kommen Süßkartoffelschnitzer mit saurer Sahne und Horipitopfeffer. Tamara zieht sich mit ihren frisch lackierten Nägeln vorsichtig einen Spalt heraus und pustet darauf herum.
    »Greif zu«, sagt Dietmar Sägel zu mir. »Gibt Power für morgen. Ich dachte an einen echten Trip in die Natur? Die soll hier ja ziemlich irre sein. Outdoor gefällt mir. Früher bin ich immer mit auf die Camel Trophy gefahren.«
    Tamara schaut ihn fragend an.
    »Allrad«, sagt er. »Pressereise. Das ist nix für euch Mädels. Obwohl, wir hatten mal eine verkniffene Emanze von der ›Brigitte‹ dabei. Die wollte endlich echte Männer erleben, haha!«
    »Ach, so ein Incentive Trip«, sagt Tamara und kaut. »Die Etats sind jetzt alle gekürzt. Da brauchst du richtige Global Players fürs Sponsoring, sonst kriegst du keine Placements.«
    »Ah … Tansania. Zwei Wochen durch den Dschungel.« Er hört ihr nicht zu, sondern schwelgt in Erinnerungen. »Das war damals alles noch ruhig, bevor die Brüder da unten die Macheten zückten. Aber die Nutten an der Hotelbar hatten alle Aids, das sah man sofort.«
    Tamara verzieht das Gesicht. Ich mache Vorschläge für die nächsten Tage. Pferdereiten zu einer verlassenen Goldgräberstadt auf der Ben Lomond Farm? Mäßige Reaktion. Irgendwas auf dem See? Kaum Interesse. Wandern vielleicht? Zweifelnde bis abschätzige Blicke. Okay, nennen wir es Alpin-Trekking. Auf einem der zehn ›Greatest Walks‹ der Welt, zumindest laut Condé Nast Traveller (oder National Geographic Magazin, egal). Bingo, die PR -Masche zieht bei Tamara sofort, obwohl sie doch vom Fach ist – die beiden wollen den Routeburn Track ausprobieren. 32 Kilometer zu Fuß, Übernachtung auf Berghütten, Proviant im Gepäck und Gepäck auf dem Rücken. Sägel folgt meinem Blick auf Tamaras rosa Ugg-Boots. Sie sehen nicht wirklich bergtauglich aus.
    »Wir haben alles an Ausrüstung dabei, das ganze Programm. Wenn schon, denn schon«, beruhigt er mich.
    »Dietmar hat uns komplett bei Globetrotter ausstatten lassen.«
    Seine Freundin klingt, als ob es sich um eine Expedition zum Südpol handelt. Wir planen die Vorbereitungen für morgen. Ich werde die Hüttenübernachtungen und den Transport buchen. Essen besorgt sich jeder selbst. Aufbruch um die Mittagszeit.
    »Schleppt bloß nicht zu viel mit«, sage ich. »Wasser können wir unterwegs aus den Bächen trinken.«
    Tamara guckt mich an, als ob ich einen unappetitlichen Scherz gemacht

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