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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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der Spätnachrichten lieber eine Serie über Schönheitschirurgie guckt. Echten Reportern darf das nicht passieren. Ich bin tief gesunken.
    Dann kapiere ich so langsam. Bruchstücke eines interkontinentalen Dramas erreichen mein Hirn. Eine Dresdener Geigenlehrerin namens Janette Z. hatte im Internet einen Neuseeländer kennengelernt. Der Redakteur am Ende der Leitung klärt mich in knappen Sätzen darüber auf.
    »Na ja, Hoffnung auf große Liebe und so. Aber als sie dann gelandet ist, war es der reine Horror.«
    Ist ja auch schlimm, 24 Stunden im Flugzeug, womöglich noch Zwischenstopp in Dubai, wo das Frühstücksbuffet für die Transitpassagiere garantiert bereits geplündert war. Das kann einem die Urlaubslaune vermiesen. Dazu der Akzent der Stewardessen von Air New Zealand, der für ungeübte Ohren so klingt, als ob die Damen gerade von einem Airbag zerquetscht werden.
    »Also, der Mann war gar nicht Mitte dreißig, wie er immer behauptet hat, sondern richtig alt. Und er sah auch ziemlich schlimm aus – langer Bart, dreckig, so voll der Penner.«
    Ich schreibe im Kopf mit. Fakten, Fakten, Fakten.
    »Und das Haus von ihm in … wie heißt das hier … in Dunneddin …«
    »Dunedin«, werfe ich ein, mit Betonung auf dem ›e‹. Immerhin weiß ich auch was. Aber woher soll der gute Mann auch eine schottisch klingende Universitätsstadt kennen, die sich dadurch auszeichnet, dass sie a) die steilste Straße der Welt hat, auf der mal eine 19-Jährige zu Tode kam, als sie in einer Mülltonne herunterrollte, b) eine Albatroskolonie, eine Schokoladenfabrik und viele scheue Pinguine beheimatet, c) Schauplatz eines Massakers unter Bewohnern des benachbarten Strandörtchens Aramoana im Jahre 1990 war und d) einmal im Jahr von Studenten im Zuge eines Autorennens in ein Schlachtfeld verwandelt wird? Keith Richards bekam 1965 auf der ersten Stones-Tournee in Dunedin schwere Depressionen – die Stadt wirkte wie ein Friedhof und war so langweilig, dass er einen Kopfstand versuchte, um die Drogen in seinem Körper zu recyclen. Dunedin also. Die arme Frau.
    »Da liefen Hühner und Katzen durchs Haus, überall lag der Müll rum. Der Kerl hat dann noch versucht, sich nackt zu ihr ins Bett zu legen. Die Frau war völlig geschockt.«
    Erschütternd, das Ganze. Nach fünf Tagen floh Janette Z. aus dem Land, ohne auch nur einen einzigen Pinguin oder die Schokoladenfabrik gesehen zu haben. Nach ihrer Rückkehr wandte sie sich an das Zentralorgan für humanitäre Hilfe, Wahrheitsfindung und sensiblen Umgang mit der Privatsphäre – die KREIS -Zeitung. Dort ist das Liebesopfer in besten Händen.
    »Was ist mit Fotos, Frau Richter?«, drängelt der Redakteur. Ich höre ihn tippen und auf seinem Schreibtisch herumrascheln. Im Hintergrund dudelt ein Handy. »Haben Sie Bilder von dem Horrorhaus?«
    Jetzt werde ich noch kleinlauter. Ich weiß nichts vom Horrorhaus, ich bin nicht dabei gewesen, und Fotos habe ich erst recht keine. In den Spätnachrichten wird wohl auch nichts gelaufen sein. Die Nachrichtenlage in Neuseeland ist dünn, aber so dünn dann doch nicht. Obwohl – auffällige Deutsche sind immer ein Thema wert.
    »Ich kümmere mich morgen drum«, schlage ich vor.
    Aber der KREIS -Kollege braucht die Bilder jetzt. Sofort.
    »Das kommt auf Seite eins!«
    Vielleicht kann ich noch schnell meine Kamera schnappen und schauen, was meine Nachbarschaft hergibt? Dunedin ist zwar fast 400 Kilometer entfernt, aber alte Holzhäuser, die nicht dem Hygienestandard Dresdener Zweiraumwohnungen entsprechen, gibt es hier genug. Ein Huhn würde ich sicher auch noch auftreiben. Oder zumindest eine Katze. Kein KREIS -Leser stört sich an solchen Details. Hauptsache, ›Horror in Neuseeland‹. Für Zeitungsmacher eine schöne Kombination, denn da steckt der Überraschungseffekt drin. ›Horror in Österreich‹ ist zu vorhersehbar.
    Dann registriert mein müdes Hirn, dass es längst stockdunkel ist. Wird also nichts mehr mit den Fotos. Ich verabschiede mich bei dem unbekannten Kollegen und schiele schon wieder Richtung Fernseher.
    »Ich soll Sie übrigens von Dietmar Sägel grüßen«, sagt er noch, aber ich höre kaum hin, denn ich habe das Ende der Folge verpasst, in der eine Drei-Zentner-Frau auf ihrem Sofa festgewachsen ist. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, weil das Fleischgewebe ins Sofapolster überging. Wie öde ist dagegen doch die Urologie.
    Der Redakteur hat immer noch nicht aufgelegt.
    »Gute Nacht, sag ich jetzt mal – Sie

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