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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Deutschland«, feixt er, »hat der Typ konstante Hits gehabt. Nur in Deutschland.« Douze points für England, um beim Schlager zu bleiben.
    In den frühen Morgenstunden wird es leer auf der Tanzfläche. Das Fest verlagert sich nach draußen.
    »Jetzt geht es Reste ficken«, konstatiert der Backpacker und trabt los Richtung Strand. Dort wird im nasskalten Sand ein Feuer angezündet, was die Resterunde wärmen soll. Es nieselt noch immer. Daher also die Gummistiefel zum Abendkleid. Ich kann nicht viel im Dunkeln sehen, aber da vorne treibt hundertprozentig ein pinker Fummel im Wasser, das knapp über null Grad sein dürfte. Die drei Mädchen aus Invercargill sind nirgendwo zu sehen. Es ist an der Zeit, mich diskret zurückzuziehen. Auch wenn dies nicht im Sinne meines Auftraggebers ist und meine Laufbahn anderes vermuten lässt: Aber auch ich habe eine Schamgrenze.
    Claude ist noch wach, als ich ins Motelzimmer schleiche. Sie räkelt sich im Sessel, ein leeres Weinglas neben sich, und legt gerade den Hörer auf. Ihr Gesicht sieht wieder frischer aus. Die Schuhe und das Glitzerkäppi hat sie in die Ecke geworfen.
    »Komm, wir trinken noch einen«, sagt Claude und nimmt ein Glas für mich vom Tisch. Ich lasse mich auf mein Bett fallen.
    »Aber nur, wenn du mir verrätst, warum du ständig auf den Kiwis rumhackst. Ich versuche nämlich, mit diesem Land zurechtzukommen. Und ich finde euch alle insgesamt ziemlich klasse.«
    »Ich war mal Austauschschülerin in Augsburg, hab ich dir das nie erzählt?« Claude hat eine Art, Fragen mit Gegenfragen zu beantworten. »Das hat mir in vieler Hinsicht die Augen geöffnet. Ich komme ja ursprünglich aus der tiefsten Provinz, aus Twizel.« Bisher hielt ich Augsburg für Provinz. Es ist alles relativ.
    »Warst du damals schon Claude?« Ich setze mich wieder auf und schenke mir Wein ein.
    »Du meinst, ob ich mein Coming-out schon hatte, Fräulein Neugier?«
    »Hmm. Ja. Zum Wohl.«
    Sie prostet nicht zurück, sondern spielt mit dem Schraubverschluss der Weinflasche. ›Spielen‹ ist untertrieben. Sie zerdrückt das Metall. Es tut weh, ihr zuzuschauen. Claude nimmt das malträtierte Teil und wirft es über mein Bett hinweg an die Wand. Ich kann sie mir plötzlich mit ungefärbten Haaren vorstellen, peitschenknallend, in Reitstiefeln und Flanellhemd, das Mädchen von der Farm.
    »Mein Coming-out«, sagt sie und betont jedes Wort, »hatte ich, als mein Vater mich grün und blau und blutig geprügelt hat. Er hat immer den Ledergürtel genommen, aber diesmal war es das Ende mit der Schnalle.« Sie klingt fast lakonisch. »Eine Extraabreibung, weil ich mit einem Mädchen aus der Highschool rumgemacht hatte.«
    Sie steht auf und knöpft sich die Stretchhose auf, zieht sie von den schmalen Hüften, dreht sich mit dem Rücken zu mir und streckt mir ihren Po im schwarzen Slip entgegen. Wie eine Raupe prangt eine Narbe auf der Außenseite ihres rechten Oberschenkels, wulstig und weiß.
    »Keine Angst, sie beißt nicht. Tat auch fast nicht weh.« Ihr Grinsen ist eher tapfer als ironisch.
    Ich bin noch immer stumm. Am liebsten möchte ich sie in den Arm nehmen und den Mann, der ihr das angetan hat, durch eine Rupfmaschine für Possums jagen. Claude zieht die Hose wieder hoch. Die Raupe verschwindet.
    »Ja, unser Recht auf körperliche Züchtigung – das darf uns keiner nehmen.« Sarkasmus tropft aus ihrer Stimme. Die Augen blitzen wieder. »Na, mir hat es ja auch nicht geschadet, wie du siehst.«
    Sie dreht sich um und verschwindet Richtung Bad. Ich höre Wasser rauschen, während ich davondämmere.
    Am nächsten Morgen wärmt die Sonne gnädig auf, was von den Resten von gestern übrig geblieben ist. Dana, Barbette und Suzy hocken auf der Bank vor dem Supermarkt und kramen in ihren Handtaschen. Sie sehen ziemlich derangiert aus. Das Abschminken kam offensichtlich zu kurz, vom Zähneputzen ganz zu schweigen. Unsere Frühstückseinladung lehnen die jungen Frauen aus Invercargill höflich, aber leidend ab.
    »Bloß nichts essen«, sagt Suzy. »Habt ihr Paracetamol dabei?«
    »Beim nächsten Mal nur noch getrennte Zimmer«, stößt Dana gequält hervor. Ihr Kleid stopft sie wieder in die Tüte. Sand klebt an der schwarzen Spitze. Es lässt sich nicht mehr recherchieren, ob sie lieber mehr Schlaf oder lieber mehr Sex gehabt hätte. So oder so: Ein Jahr Erholung vom Singles-Ball wird den dreien sicher guttun.
    Claude will noch durch Oban laufen und Kakas fotografieren. Ich schaue für ein letztes

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