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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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aus, aber die Hornhaut an den Ellbogen ist noch immer orange. »Hallo, Frau Richter«, lese ich in der E-Mail aus der Männermagazinredaktion, während im Kamin die Kokosnusshälften und Reste vom Bastrock verbrennen, »leider ist aus der schönen Flirtreportage von der Vogelinsel nur ein kleiner Kasten geworden (als heißer Insidertipp). Australien sagt unseren Lesern einfach mehr, meint der Chefredakteur.«

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    Leise rieselt der Schnee
    »GESTERN HABE ICH Heizdecken gekauft. Für die ganze Familie«, erzähle ich Eva, während sie mit dem Wasserkessel hantiert. »Meine Kinder sollen es mal besser haben. Sie sollen es so gut haben wie Kiwi-Kinder.«
    Durch die offene Küchentür hört man den Fernseher im Wohnzimmer. Klein-Takaka bessert seit einer Stunde ihr Englisch auf. Jörg ist in der Garage. Der Schuppen, wie Kiwi-Männer ihr Liebstes nennen, bietet Zuflucht vor den Anforderungen eines Haushalts und der Familie. Im Schuppen wird nur streng maskulinen Tätigkeiten nachgegangen: Motorräder auseinanderschrauben, eigenes Hefebier brauen, Fische ausnehmen, Inbusschlüsselsammlung vorführen. In manchen Kreisen wird der Schuppen auch zum Labor umgewandelt, um mit der Herstellung illegaler Methamphetamine die nächste Halbkörpertätowierung zu finanzieren.
    Eva trägt fingerlose Handschuhe. Schwarze Tui-Vögel sind auf die rote Merinowolle gestickt.
    »Kiwis haben doch alle Frostschutzmittel im Blut«, stellt sie kategorisch fest. »Daher kommen sie ohne Heizung aus. Auch wenn man seinen Atem in weißen Wolken sieht, wenn man aufwacht. Wenn wir jemals ein eigenes Haus haben, bauen wir als Erstes eine Wärmeumluftpumpe ein.«
    Dass sie das Wort kennt, zeugt von großem Leidensdruck. Technik ist Eva so fremd wie mir. Meine Freundin schüttet Roibuschtee in Tassen mit Delfinmotiven und rührt Manukahonig hinein.
    »Warum hast du eigentlich so orangebraune Flecken im Gesicht?«, fragt sie mich.
    Ich lenke ab.
    »Taut ihr auch morgens eure Erfrierungen mit dem Föhn auf?«
    »Wir wärmen uns immer am Sandwichtoaster. Du weißt, dieses zusammenklappbare Ding. Muss man haben, wenn man dazugehören will.«
    Sie zieht das sperrige Teil aus dem Küchenregal und demonstriert es mir. Der Sandwichtoaster funktioniert ähnlich wie das Prinzip Heizdecke: oben Decke(l), unten Hitze. Für alle, die nicht in meinen Breitengraden verkehren oder nie auf einer Kaffeefahrt waren, sei die Heizdecke kurz erklärt. Es ist eine vliesartige Matratzenauflage mit Kabelauswuchs an der Seite. Damit gibt man dem Bett regelmäßig Elektroschocks, damit der Federkern nicht Gefrierbrand ansetzt. Unter der Auflage schlängeln sich Heizschlangen. Den Grill betätigt man per Schalter, bevor man ins Bett steigt. Wichtig ist, dass man ihn wieder ausknipst, wenn man wegdöst, sonst könnte es im Schlaf zu Verschmorungen kommen.
    »So ein Winter in Neuseeland ist wunderschön, wenn man nicht gerade hier wohnen muss.«
    »Und nicht mal Weihnachten oder Silvester hat, um das Ganze erträglicher zu machen.«
    Wir seufzen beide und schauen Richtung Fenster, an dem Kondenswasser in kleinen Bächen herunterläuft. Gefühlte Temperatur: subantarktisch. Draußen stapft Evas und Jörgs Nachbar vorbei. Er ist Rugbyspieler bei den Crusaders und hat einen Halsumfang, gegen den meine Oberschenkel Zahnstocher sind. Der Mann trägt mitten im Winter Shorts. Dazu Wollsocken, die vom Steg seiner Flipflops eingeschnitten werden. Der camel toe, also Kamelzeh, ist die antipodische Version eines Winterstiefels und wird auch in Australien gerne getragen. Dort ist es allerdings deutlich wärmer.
    »Ich glaube, wir sind einfach verweichlichte Europäer. Wenn man Pioniere als Urgroßeltern hat, ist man abgehärteter …«
    »… indem man sich im Haus einfach zwei Wollpullis übereinander anzieht. Daran merkt man, dass man drinnen ist und nicht mehr draußen.«
    Jörg Olewski kommt in die Küche. Er trägt Daunenweste und eine Wollmütze in den Maori-Farben Rot, Weiß und Schwarz. Die hat Eva ihm in besseren Tagen gestrickt.
    »Wie lange werkelst du denn noch rum? Wirst noch zum echten Do-it-yourself-Kiwi«, stichelt seine Frau und reicht ihm eine Tasse Tee. Aber Jägi versteht heute keinen Spaß. An anderen Tagen eigentlich auch nicht.
    »Ich muss diese Risse in der großen Holztür flicken. Alles völlig verzogen. Da zieht es ja durch wie Hechtsuppe.«
    Ich wusste gar nicht, dass unser Bäckermeister mit Hammer und Säge umgehen kann. Aber das lernt

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