Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Niederlage bezahlt.
»Ein toller Nationalvogel«, lästert Claude. »Er ist langweilig, übellaunig, fast blind, kann nicht fliegen und sieht völlig lächerlich aus. Und dann verpisst er sich auch noch.«
»Welcher Vogel wäre denn für eure Identität besser?«
Dan kommt aus dem Unterholz zurück. Wir müssen wieder flüstern.
»Der Kea«, raunt mir Claude ins Ohr. »Der ist ein Fleischfresser und lacht über sich selbst.«
Nach drei Stunden Suche traben wir endlich zurück zum Fischerboot. Dan macht schon lange keine Späßchen über Brunftschreie mehr.
»Das ist mir in 17 Jahren noch nie passiert«, entfährt es ihm. Er ist sichtlich enttäuscht. Mit Neid denke ich an die älteren Damen aus dem Tierschutzverein, die kürzlich auf Kiwi-Spotting-Tour gingen. Die hatten dabei richtig was erlebt. Dan erledigte nebenbei die Katzen in den Fallen direkt vor ihren Augen. Das kam wohl nicht so gut an, denn eine der Damen erlitt einen hysterischen Anfall. Der Ausflug machte Schlagzeilen bis nach Invercargill. Alte Reporterweisheit, frisch bestätigt: Immer wenn es spannend wird, ist man gerade nicht dabei.
Baxter ist am Telefon. Am Wochenende will er seine Geburtstagsparty feiern. Das Motto ist ›Hawaii 5-0‹. Unser Freund wurde mit der legendären amerikanischen Fernsehserie in den Siebzigerjahren groß. Das in Kombination mit seinem Surfer-Gen – kein Wunder, dass aus ihm ein Beach Boy geworden ist.
»Wünschst du dir irgendwas Bestimmtes, Bax?«
»Eigentlich nur, dass alle Frauen als Hulagirls kommen. Mit Kokosnussbikini!«
Ein unbekümmert freches Lachen. Er meint das ernst.
»Baxter, ich bin käseweiß! Es ist Winter.« Und ich habe noch kein Gramm abgenommen. Vom Rennradfahren werden bisher nur die Beine kräftiger.
»Mach dir doch einen Spraytan. Den haben jetzt alle, sagt meine Freundin.«
Baxters Freundinnen sind unter 25 und werden nach einer Saison schmerzfrei ausgewechselt. Der Spraytan ist für weißhäutige Kiwis, was für unsereins früher die Sonnenbank war. Er erzielt einen ähnlich prolligen, aber verschlankenden Effekt – wenn auch hautfreundlicher, was angesichts der Melanomrate in diesen Breitengraden nicht verkehrt ist. Die Cancer Society gibt sicher ihren Segen dazu.
Kommt man in ein neues Land, erlebt man vieles zum ersten Mal. Den ersten Fumigator. Die erste Honesty Box. Den ersten Pottwal aus nächster Nähe. Die ersten Spaghetti aus der Dose, auf Toast serviert. Zwillingswasserhähne, von denen aus dem einen nur kaltes, aus dem anderen nur brüllend heißes Wasser kommt. Mir steht eine weitere Initiation bevor: mein erster Spraytan.
Im Schönheitssalon muss ich nackt in eine Metallkabine treten, die mich an Autobahntoiletten mit Komplettknopfdruckreinigung erinnert. Frei von falscher Scham ignoriere ich den angebotenen G-String aus Papier, was ein Fehler ist. Es beginnt mit einem Discotanz. Rechter Arm hoch, rechter Arm geknickt. Linker Arm hoch, linker Arm geknickt. Eins und zwei, und sprüh, und sprüh. Rechter Fuß hoch, linker Fuß hoch. Halbe Drehung, stopp. Das Einsprühen kitzelt gemein. Ich fühle mich wie ein Obstbaum, der mit Pestiziden behandelt wird. Es wird besonders prekär, als die Selbstbräunungsexpertin auf dem Boden hockt und mich bittet, die Beine zu spreizen, um gezielt das untere Zonenrandgebiet der Bikinizone mit der Bräunungsdusche zu bearbeiten. Genauer gesagt hängt sie fast im Todesstreifen.
Als das Teufelszeug getrocknet ist, streife ich mir eine Art Umstandskleid über und stakse ohne Schuhe aus der Lackierwerkstatt hinaus, breitbeinig wie nach einer Mehrlingsgeburt, damit sich die Schenkel bloß nicht berühren. Jeder Hosenbund oder enge Stoff würde die Pracht ruinieren. Meine Haut klebt und riecht nach Chemie, und meine Füße sehen aus, als habe jemand eine Tasse Kaffee darauf verschüttet. Lukas holt mich ab, denn selbst fahren kann ich in dem Zustand nicht. Abruptes Bremsen würde mir die Bräunung der rechten Wade ruinieren. Zehn Stunden muss ich in diesem Zustand verharren und darf so lange nicht duschen, bis der Spraytan seine volle Wirkung entfalten kann. Es ist eine körperliche Extremerfahrung, die ich nicht in absehbarer Zeit wiederholen möchte. Nur der Gedanke, dass Paris Hilton jede Woche auf diese Weise gequält wird, hält mich aufrecht. Die Tortur ist damit aber nicht zu Ende. Keine weiteren Details. Nur ein Wort: Kokosnüsse.
Am Montagmorgen sehen meine Hände wie die Rücken von Streifenhörnchen
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