Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
Vom Netzwerk:
nächste Höhle.«
    Sie klimpert mit den Eiswürfeln im leeren Glas und greift sich den Zitronenschnitz heraus. Ich denke an den verspielten, frechen Baxter. Dem fliegen alle Frauenherzen am Strand zu, und er jongliert gekonnt damit, ganz ohne Boss-Anzug. Claude übertreibt mal wieder.
    »Aber in Australien ist es doch viel schlimmer«, sage ich. »Gilt es im Outback nicht als Anmache, wenn man laut rülpst oder furzt, sobald eine ›Sheila‹ die Kneipe betritt?«
    Baxter erzählt uns gerne Schauergeschichten vom Erzfeind am anderen Ufer der tasmanischen See. Gleichzeitig überlegt er, dort zu arbeiten, weil man in ›Oz‹ so viel besser verdient.
    Claude saugt an der Zitrone.
    »Wusstest du, dass die Aussies weltweit am häufigsten das Wort ›porn‹ googeln? Wir Kiwis kommen erst an zweiter Stelle.«
    »In Neuseeland wird angeblich am häufigsten ›cats‹, ›horses‹ und ›make bombs‹ eingegeben.«
    Ihre Zähne zerrupfen das Fruchtfleisch.
    »Da kannst du mal sehen, was sexuelle Unterdrückung für wundersame Blüten im Agrarbereich treibt.«
    Das erste Glas geht zu Bruch. Dana und Suzy halten Barbette fest, die beinahe auf den Scherben ausgerutscht wäre. Die Band lässt Oldies krachen, die Tanzfläche füllt sich jetzt auch mit Männern, und die Delfine an der Decke schaukeln im Takt. Als um kurz vor Mitternacht das Seafood-Buffet eröffnet wird, können viele kaum noch gerade gehen. Umso besser schmecken die halben Hummer und Lachse, vom Veranstalter persönlich über Manukazweigen geräuchert. Dana greift sich ein ölig glänzendes Stück gepökelten Muttonbird. Fett tropft ihr vom Kinn auf die kunstseidene Robe. Ihre Stimmung kann das nicht trüben. Sie ist wild entschlossen, sich für den kurzen Rest der Nacht zu amüsieren.
    »Mit Gary, da geht noch was.« Sie zwinkert mir bestens gelaunt zu, während Barbette und Suzy wieder zur Tanzfläche streben. Die beiden Freundinnen umkreisen hüftschwenkend und »Yeah!«-kreischend einen Backpacker aus England, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Vielleicht hat es ihn nur durch Zufall in diesen Saal am untersten Rand der Südsee verschlagen. Wenig später steht er neben Claude an der Bar. Sie bestellt sich noch einen Gin Tonic. Ich höre halb hin. Sie reden über Filme.
    »Herr der Ringe?« Sie schnaubt. »Hör mir auf. Mal abgesehen von den Hobbits – aber diese Filme sind für unser Land, was Leni Riefenstahls Propaganda für Deutschland war.«
    Der Engländer weicht zurück und schaut sie mit großen Augen an. Claude ist es egal, wen sie verschreckt. Sie verzieht den Mund.
    »Und komm mir nicht mit ›Whale Rider‹. Netter Film, süßes Mädchen, bla bla bla. Oder ›Die letzte Kriegerin‹. Ergreifend, ja. Rührend.« Sie winkt ab. »Weißt du, welcher Film großes Kinoformat hat und wirklich Neuseeland rüberbringt?«
    »›Das Piano‹?«, fragt er eingeschüchtert.
    »Nein, mein Lieber. ›In my Father’s Den‹. Nach einer Geschichte von Maurice Gee. Das ist das wahre Leben, wie es hier wütet. Nicht so ein Öko-Disneyland, wie ihr es gerne hättet.« Sie dreht sich zu mir um. »Das Buch solltest du lesen, Anke. Unbedingt.«
    Aus dem Funkeln in den Augen ist ein müdes Flimmern geworden. Dann sagt sie, dass sie jetzt ins Motel ginge, sie wolle noch »mit München plaudern«. Das leere Gin-Tonic-Glas hat Spuren von ihrem Lippenstift. Ich muss noch ein wenig durchhalten, schließlich läuft dieser Abend unter Arbeit. Der Engländer klebt jetzt an meiner Seite. Er ist auch nicht mehr ganz nüchtern.
    »Ich kann ein bisschen Deutsch«, sagt er grinsend und beginnt zu singen: »99 Luftballons … äh, 99 Luftba-lo-hons!«
    Ich will keine Spielverderberin sein, außerdem singt er ganz passabel.
    »Hast du früher etwa Nena gehört?«
    »Klar! Ich fand sie so sexy. Bis sie einmal bei einem Auftritt den Arm hob – sie hatte keine rasierten Achseln, sondern einen vollen Busch. Shocking! Ich war ja erst zwölf.« Er lacht. »Ihr seid schon etwas pervers, ihr Deutschen. Warum steht ihr bloß alle auf David Hasselhoff?«
    O nein. Hoffentlich singt er mir jetzt nicht ›I’ve been looking for Freedom‹ vor. Ich versuche mich herauszureden. Dass das ein hartnäckiger Mythos sei, eine Spätfolge der Achtzigerjahre, ein böses Gerücht. Dass es vor allem Neunjährige waren, die damals die Schallplatten von Knightrider gekauft haben, und deren Mütter alle mit auf die Konzerte gehen mussten, und nur daher – aber er lässt mich nicht ausreden.
    »Nur in

Weitere Kostenlose Bücher