Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
Vom Netzwerk:
man sicher schnell, wenn man alle Schreiner vergrault hat. Angewidert schüttelt Jörg den Kopf.
    »Das sind doch keine richtigen Häuser hier. Ich bitte dich: keine Doppelverglasung, keine Unterkellerung. Und von soliden Steinmauern haben die doch auch noch nie was gehört. Da kann man ja gleich im Zelt wohnen.«
    »Was die meisten Kiwis auch den ganzen Sommer über machen«, sage ich. »Nennt sich Ferien. Solltest du mal versuchen.«
    Jörg verzieht keine Miene. Er ist noch nicht fertig mit seiner Litanei.
    »Zumindest haben sie Dächer. Sagenhaft. Das schützt vor Regen.«
    »Meistens.« Eva zeigt nach oben in die Ecke der Küche, wo die Wand grauschwarz schimmelt.
    »Einfach Farbe drüber. Man muss halt ein bisschen erfinderisch sein, so wie alle«, schlage ich vor. »Daher ist hier der Gardinenstoff ja auch immer von einer Seite beschichtet. Da reicht ein simpler Gummifilm als Isolierung, wo Weicheier wie wir Rollläden brauchen.«
    Wir grinsen beide. Aber der Meckerbäcker lässt nicht locker.
    »All diese offenen Kamine – das ist doch die größte Umweltsauerei! Ganz Christchurch ist im Moment unter einer Smogglocke. Von wegen ›grünes Paradies‹ – da kann ich nur lachen.«
    Das sollte er wirklich mal tun. Würde ihn entspannen.
    »Aber ist doch gemütlich, so ein prasselndes Feuer«, versucht es Eva. »Irgendwie romantisch.«
    »Ja, weil du davor so ins Schwitzen kommst, dass du dir die Kleider vom Leib reißt«, höhnt Jörg. »Aber drei Meter weiter fängt dann Sibirien an. Hör mir bloß auf – das ist doch alles primitiv. Da hatten wir’s sogar in der DDR besser.«
    Eva fällt ihrer schlechteren Hälfte genervt ins Wort.
    »In der Tätärä habt ihr die Balkontüren bei Schnee und Eis aufgerissen, weil die Bude immer automatisch durch Fernwärme überhitzt war. Echt umweltfreundlich.«
    Jörg guckt, als ob er seinen Tee über ihrem Kopf ausschütten will. Dann dreht er sich zu mir.
    »Letzte Woche, als wir Nachtfrost hatten, habe ich morgens die Temperatur bei uns im Bad gemessen.« Er triumphiert. »Acht Grad Celsius! Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in ihren Richtlinien mindestens das Doppelte. Ich hab im Internet geschaut.«
    Er guckt mich an, als ob er erwartet, dass ich daraus eine Zeitungsmeldung mache. Eva seufzt auf.
    »Ich werde mal beim Roten Kreuz nachfragen. Vielleicht spendieren sie dort Fußbodenheizungen.«
    »Oder zumindest Wärmflaschen«, schiebe ich nach. Meine Heizdeckenquittung muss ich unbedingt behalten. Da lässt sich doch sicher steuerlich was machen, als humanitäre Spende an verfrorene Einwanderer. Wo aber nichts mehr zu machen ist, ist zwischen Eva und Jörg. Der Haussegen der Schebbenberg-Olewskis hängt offensichtlich schiefer als deren schlecht gezimmerte Eingangstür. Kaum hat sich Jörg wieder in die Garage verzogen, knallt Eva ihre Tasse in die Spüle.
    »Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Soll er doch zurückgehen in sein Klein-Machnow, wenn ihn hier alles stört. Aber gerne ohne mich.«
    Jetzt schnaubt sie, verzweifelt und wütend. Das hat gerade noch gefehlt: nach der Einwanderungskrise die Ehekrise. Oder ist es eine Ost-West-Krise?
    »Er hat sich mit allen überworfen. Die Handwerker laufen ihm davon. Die Nachbarn hassen ihn. Alle sind genervt, und ich kann es total verstehen.«
    »Fahr doch mal für eine Weile weg«, schlage ich vor. »Allein.«
    Sie denkt nach. Ihre Miene hellt sich auf.
    »Nächsten Monat bin ich auf Exkursion.«
    »Mit deinen Kommilitonen?«
    Eva hat in den sauren Apfel gebissen und drückt mit lauter Zwanzigjährigen die Schulbank. Seit Neuestem ist sie wieder Studentin, um doch noch die Zulassung fürs neuseeländische Schulsystem zu bekommen. In ihrem Sportlehrerstudium gibt es ein auf der ganzen Welt einmaliges Fach namens Maori Movement, dem Vertrag von Waitangi sei Dank. In Evas Fall bedeutet die Einhaltung dieses wichtigen historischen Abkommens, dass sie nicht nur lernt, wie man den Schülern Weitsprung und Turnen beibringt, sondern auch polynesischen Stockkampf, das rhythmische Herumwirbeln von Poi-Kugeln an Schnüren und natürlich Haka, den berühmten Kriegstanz. Den beherrscht auch Jörgs und Evas stiernackiger Nachbar wie eine Eins. Rugby finden Eva und ich sterbenslangweilig, aber der Haka zum Auftakt der Länderspiele – der ist sexy. Auch meine Söhne können ihn. »Ka mate, ka mate«, brüllen sie dabei, »der Tod, der Tod!« So was lernt man in der Schule.
    »Wir müssen zu einem einwöchigen

Weitere Kostenlose Bücher