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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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einen Maori live zu sehen, gehe ich am Abend mit Lukas und Baxter auf ein Bier in die Wunderbar. Denn heute spielt dort Aaron Tokona, der so was wie der Carlos Santana von Christchurch ist. Eine seiner Bands nennt sich ›A Hori Buzz‹. Hori ist ein fast so schmeichelhafter Ausdruck für Maori wie Nigger für Afroamerikaner. Das hat Stil, und Aaron hat Talent. Claude kommt auch. Die Wunderbar ist weit über Lyttelton hinaus bekannt. Sie liegt im zweiten Stock über einem Supermarkt, ist nur vom Hinterhof aus erreichbar und bietet den besten Blick über den Hafen. Sie ist plüschig, verschroben, legendär. Ausgehöhlte alte Plastikpuppen und Spitzenunterröcke hängen als Lampen über rotem Samt. Der frühere Besitzer und Gründer der Wunderbar war ein Berliner und liebte alten Trödel. »Wer die Wirtin kränkt, wird aufgehängt« steht auf Deutsch auf einem Schild hinter der Bar aus Bambusstäben. Darüber baumelt ein Akkordeon.
    Claude trägt heute Wunderbar-Stil. Am Revers ihres engen Herrenanzugs mit Weste steckt ein Marlene-Dietrich-Button. Fehlt eigentlich nur die Zigarettenspitze. Auch Baxter wartet bereits am Tresen.
    »Was wollt ihr trinken?« Seine gute Laune ist mal wieder unschlagbar.
    »Danke, lass mal, ich hol mir selber was«, sagt Lukas.
    Claude verdreht die Augen und stößt ihn leicht an.
    »Wie lange seid ihr jetzt hier? Habt ihr immer noch nicht kapiert, dass man abwechselnd eine Runde ausgibt?«
    »Außer dir sagt uns das ja niemand.«
    »Okay, ihr wart anfangs ja auch noch Neulinge. Gäste von außerhalb werden eingeladen.«
    Lukas legt den Kopf schräg.
    »Aber was ist, wenn du zehn Leuten eine Runde ausgibst, aber selber nur drei Bier am Abend trinkst? Ich meine, wie geht das auf? Und wenn jemand früher abhaut und gar nichts zahlt?«
    Die Kulturbotschafterin nickt.
    »Ist kompliziert, du hast recht. Über das ›round-buying‹ sind schon anthropologische Abhandlungen geschrieben worden. Glaub mir, jeder weiß genau, wer wann was gezahlt hat. Ob du ein ›fair player‹ bist oder ein ›freeloader‹. Es gleicht sich immer aus.«
    Baxter reicht uns Bier und Wein an.
    »Er muss sich keine Sorgen machen, dass die Augenbrauen hochgehen und hinter der Hand gemurmelt wird«, frotzelt Claude.
    »Machst dich mal wieder über uns kleine Kiwis lustig, was?«, sagt Baxter zu Claude, aber es klingt versöhnlich. Er dreht sich zu Lukas: »Lust auf Tischfußball?«
    Claude schaut den beiden nach und zeigt auf das Kickerspiel in der Ecke.
    »Dieser Deutsche, dem damals die Wunderbar gehörte, der hat die Figuren bemalt«, sagt sie. »Die eine Mannschaft mit Hakenkreuzen, die andere mit Judensternen. Das ging im ganzen Land durch die Presse.«
    Mir rutscht fast das Weinglas aus der Hand.
    »Wie – als Scherz etwa?«
    »Vielleicht ist irgendwas bei ihm ausgerastet. Was meinst du, wie oft die ihm hier vor zwanzig Jahren am Tresen aus Jux ›Heil Hitler‹ entgegengelallt haben.«
    »Vielleicht ist er aber auch nur ein totaler Idiot«, mischt sich eine Stimme hinter mir ein. Ich drehe mich um. Eva steht an der Bar. Was für eine Überraschung – »du auch hier«, »darf ich euch vorstellen« –, die Damen kannten sich bisher noch nicht. Eva trägt einen gefilzten Poncho, auf dem Monde und Sterne prangen. Das gelbe Ding auf der linken Schulter dürfte das Kreuz des Südens sein. Neben der herben Lippenstiftlesbe wirkt sie wie die personifizierte Portion Müsli. Ich hoffe, dass Claude sich ihre Kommentare verkneift, und gehe auf die Toilette, die mit einem Bügeleisen als Türklinke ausstaffiert ist. Als ich wiederkomme, drückt Claude Eva gerade einen Flyer für eine Ausstellung in die Hand.
    Baxter kommt aus der Kickerecke zurück zur Bar. Eva verabschiedet sich schnell, als sie ihn sieht. Claude fängt an, über Münchner Sexshops zu fachsimpeln. Die Männer lauschen.
    »Da gibt es Doppeldildos, die wie die Türme der Frauenkirche geformt sind.« Sie berichtet so beiläufig, als ob sie ein Fleurop-Gesteck für ihre Tante in Twizel beschreibt. Lukas guckt etwas betreten. Baxter staunt.
    »Ihr Deutschen, ihr seid sexbesessen, stimmt’s? Ihr geht doch auch alle nackt in die Sauna.« Er feixt.
    Das Kombibad Paffrath in Bergisch Gladbach taucht vor meinem inneren Auge auf – Fliesen, Fichte und Frottee im Exzess.
    »Das ist doch wieder so ein Quatsch«, sagt Lukas. Das Licht der Puppenlampen leuchtet rot auf seine Ohren. Baxter lässt nicht locker.
    »Ein Freund von mir war auf seiner Europareise auf der

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