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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Rider‹?«
    Haki lässt sich nicht aus dem Konzept bringen.
    »Es gibt viele starke Frauen, die die alten Rollen infrage stellen und sie verändern. Wir entwickeln uns doch alle weiter. Sonst landen wir wirklich bald im Museum neben den Moaknochen.« Gut gelaunt zwinkert er Eva zu. »›Vögel fliegen mit Federn, und die Himmel sind voll mit Wolken.‹«
    Er beginnt, behände seinen Stock herumzuwirbeln. Erstaunlich, wie viel Grazie in dem Koloss steckt. Evas Stirn glättet sich. Farbe schießt in ihre Wangen. Sie hat schon wieder diesen erleuchteten Blick. Ich weiß zwar nicht den Maori-Ausdruck dafür, aber auf Deutsch würde ich sagen: Sie hat sich verknallt.
    Und wir haben noch drei Tage. Armer Jägi.
    Haki hat vor dem Matratzenlager der Studenten eine Tafel aufgebaut. An diesem Abend schlägt seine große Stunde. Wie bei einem Kochtopf, in dem es lange gebrodelt hat, wird endlich Dampf abgelassen. Alles soll ans Tageslicht kommen. Und um das zu beschleunigen, sollen ab sofort in diesem Kurs Maori nur noch ›M‹ genannt werden und Pakeha ›P‹ – zur Neutralisierung.
    »Was macht eine Kultur aus?«, fragt Haki in die Runde und schreibt auf: Sprache, Religion, Kleidung, Bauten, Essen, Musik. Daneben zieht er zwei Spalten.
    »Welche Sprache sprechen wir in Neuseeland – M oder P?«
    »P«, kommt es brav im Chor zurück.
    »Welche Mode tragen wir?«
    P natürlich.
    »Welche Feste feiern wir?«
    P-Ostern, P-Weihnachten, P-Silvester. So geht es weiter. Auf der Tafel stehen nur Ps. Haki blickt darauf und schweigt einen kunstvollen Moment lang.
    »Wir stecken in einer Krise. Unsere Kultur wird bald nur noch im Museum vorhanden sein. Wir haben nicht mehr viele alte Leute, die unsere Sprache sprechen. Wir sind eine halbe Million, aber dabei, auszusterben –«
    »Wie der Moa!«, ruft der samoanische Student im überdimensionalen T-Shirt dazwischen und schüttelt sich vor Lachen in seiner Ecke.
    »He mahi kai te taonga – ›Überleben ist das wichtigste Ziel‹.« Haki Waiomio lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Wir Maori haben die höchste Rate von allem Negativen in diesem Staat – Krankheit, Kriminalität, Arbeitslosigkeit. So sehr wir uns auch bemühen, wir verlieren den Überlebenskampf in unserem eigenen Land. Und daher brauchen wir Hilfe.«
    Neben mir regt sich Unmut.
    »Ich will kein Mitleid«, protestiert Angie. »Ich will lediglich, dass die anderen unvoreingenommen sind und ihnen meine Herkunft bewusst ist.«
    Shane, der nachdenkliche Gitarrenspieler, meldet sich.
    »Warum ist da vorne auf der Tafel ein Strich zwischen M und P? Warum können unsere Kultur, unsere Musik, unsere Tradition nicht eine Mischung von beidem sein? Wir sind doch alle Kiwis.«
    Die Diskussion kommt in Schwung. Die blonde Vivien hebt träge einen gebräunten Arm mit Goldreif von der Schulter ihres nicht minder desinteressiert dreinschauenden Boyfriends.
    »Den Mahris geht’s doch gar nicht um bessere Chancen, oder?«, wirft sie mit einem provozierenden Lächeln in die Runde. »Denen geht’s doch nur ums Geld, das ihnen nachgeschmissen wird. Für uns gibt es zum Beispiel längst nicht so viele Stipendien wie für die.«
    Das perfekte Stichwort für Angie. Die Volleyballerin ist in Fahrt.
    »Wir heißen Maori, nicht Mahris! Und all deine Vorurteile hast du doch nur aus der Zeitung, Vivien.« Das überhöre ich lieber. »War auf deiner Privatschule überhaupt ein einziger Maori?«
    Vivien lehnt sich demonstrativ an die Schulter ihres Beschützers und giftet zurück: »Du willst doch sicher nicht mehr Flachsröcke tragen und in einer Hütte aus Zweigen leben, oder?«
    Ihr Freund wirft ein, er habe in der Zeitung etwas über das Krieger-Gen gelesen. 60 Prozent aller Maori-Männer trügen dieses Gefahrenpotential in sich.
    »Vielleicht sind deshalb so viele Mahris im Gefängnis und so«, sagt er. »Und was ist mit den Kindern, die sie misshandeln? Man kann das ja nicht immer nur auf die Gesellschaft schieben, auf Rassismus und so.«
    Haki fragt zurück, wie viele in der Klasse schottische Vorfahren haben, und ob sie daher anfällig für Mord, Plünderungen und Vergewaltigungen seien – »stellt euch all das Gemetzel damals in den Highlands vor. Steckt das in eurer DNA ? Na, was?«
    Er schaut zufrieden drein. All die Vorurteile und Anschuldigungen scheinen ihn richtig glücklich zu machen. Der samoanische Witzbold ruft von hinten: »Wann entdecken sie endlich das Gen für Kolonialismus?«
    Viviens Freund kontert: »Und

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