Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Landessprache begrüßt. Im Gegensatz zu Eva verstehe ich kein Wort.
»Das macht nichts«, flüstert sie mir zu. »Die Worte wirken auch so in dir und wachsen.« Meine Waden kribbeln. Bald schlafen meine Beine ein.
»Nga mihi mahana ki a koutou katoa – seid alle herzlich willkommen! Ich bin Haki Waiomio.« Die Stimme, die Ivan Rebroff ausstechen könnte, gehört einem fast zwei Meter großen Maori mit stattlichem Kugelbauch. Über der Plauze, korrekt puku, spannt sich ein frisch gebügeltes, weinrotes XXL -Hemd mit schwarz-weißem Spiralmuster.
»Waiomio, wie in ›why, me?‹. Denn es trifft immer mich.« Er lacht. »Für den Rest dieser Woche bin ich euer Lehrer und Vermittler. Von mir werdet ihr die eine oder andere Weisheit hören. Mein liebstes Maori-Sprichwort heißt: ›Wenn du kannst, sei klüger als andere, aber sag es ihnen nicht.‹«
Haki Waiomio hält einen knorrigen Talking Stick mit Schnitzereien und Muschelintarsien in den Händen und erklärt uns, was wir diese Woche erleben werden: Outdoor-Erziehung, Flachsflechten, Aale fangen, singen, diskutieren, hinterfragen.
»Whakarongo. Hört einfach hin und lasst alles andere ruhen. Ich will, dass ihr hier eure Wurzeln spürt und die Kraft der Natur. Dass ihr versteht, was es heißt, Maori zu sein. Gemeinsam wollen wir alle alten Verletzungen und Differenzen überwinden.«
Hugh – da hat ein großer Häuptling gesprochen. Die Stammesbrüder nicken zur Bekräftigung.
Nach den Begrüßungsreden wird der Versammlungsraum in ein Matratzenlager umgewandelt. Eine der Aunties, wie die älteren Frauen des Dorfes im Sammelbegriff heißen, teilt Kissen und Laken aus. Sie gibt uns strenge Anweisungen.
»Kein Essen und Trinken hier drin – das entweiht den Raum. Und niemand setzt sich auf die Kopfkissen, hört ihr? Der Kopf ist der heiligste Teil des Körpers. Da hat der Hintern nichts zu suchen!«
Ich schiebe meine Matratze an die Wand, unter der auf einer Tafel die Namen gefallener Maori-Soldaten der letzten beiden Weltkriege stehen, eingerahmt von einer Schnitzerei und dem verblichenen Konterfei der englischen Queen. Neben mir packt jemand seine Gitarre aus. Shane wirkt etwas reifer als der restliche Haufen der herumalbernden, mit Schlafsäcken um sich werfenden Sportstudenten. Er trägt Brille, neue Adidasturnschuhe und Cowboyhemd und strahlt genug Intelligenz für ein kleines Interview aus.
»Shane, wie fühlst du dich als Pakeha auf diesem –«
»Ich bin kein Pakeha«, unterbricht er mich. »Ich bin ein Neuseeländer.«
Das letzte Wort betont er scharf.
»Aber als Kiwi mit europäischen Vorfahren bist du doch automatisch ein Pakeha?«
Jetzt bin ich verwirrt. Eva kennt sich damit so viel besser aus.
»Pakeha heißt wörtlich: ›Ein Besucher, der nicht mehr ging‹. Ich bin aber kein Fremder. Ich bin genauso Kiwi wie jeder, dessen Vorfahren irgendwann vor fünfhundert Jahren auf einem Kanu hierher gerudert sind. Deshalb lehne ich das Wort ab. Es ist diskriminierend.«
Er blickt weg und beginnt seine Gitarre zu stimmen. Aha, daher weht der Wind. Aber Shane wirkt keineswegs wie ein rechter Redneck. Eher auf der Suche.
»Kannst du dich vielleicht nicht so für die Kultur der Maori begeistern, wie es in diesem Kurs erwartet wird?«
»Kennst du das Prinzip von Utu?«, fragt er zurück. Jetzt schaut er von der Gitarre auf. »Rache mit Blutvergießen, um jeden Preis. Das ist doch primitiv. Und dann die ganze Hierarchie. Dass deine Herkunft den Stand in der Gesellschaft bestimmt. Wurde deshalb nicht bei euch der Adel abgeschafft?« Er beugt sich wieder über die Saiten. »Oder dass Frauen keine Reden im Marae halten dürfen. Ich halte mehr von Love and Peace, von Gleichberechtigung und Demokratie.«
Shane zupft ein paar sanfte Akkorde.
»Außerdem würde ich mich viel lieber mal mit der Geschichte meiner Vorfahren auseinandersetzen. Die kamen aus Irland. Nur weil sie etwas später hier ankamen als die Maori, zählen sie wohl nicht.«
Ob die Kelten wiederum die Vorreiter von Frieden und Emanzipation waren, können wir auf die Schnelle nicht mehr klären, denn es wird zum Essen gerufen.
Vor den Verzehr haben die Maori-Götter das Gebet gesetzt. Streng genommen waren es christliche Missionare, die von den Maori-Göttern nichts wissen wollten, aber egal: Auf jeden Fall beten wir, mit einem herzhaften »Amene!« am Schluss.
»Da muss man als bikultureller Mensch durch«, sage ich zu Eva, die meines Wissens nach Atheistin ist, und stupse sie mit
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