Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
quality, very clean‹), und mit der Auszahlung der Brandschutzversicherung den Laden komplett renovieren lassen. Von einem deutschen Handwerker natürlich, denn nur dem konnte er vertrauen. Er hat ihn beim deutschen Stammtisch kennengelernt, wo er jetzt öfter hingeht, um Geschäftskontakte zu knüpfen. Dort gibt man Sammelbestellungen auf bei dem Autoimporteur, der einmal im Monat bei Aldi in Australien einkauft. Jörg hat Takaka in einer deutschen Spielgruppe angemeldet, will einen Weihnachtsbasar organisieren und trifft sich demnächst mit den Stammtischgeschwistern zum Fernsehabend, wo die letzten Tatort-Folgen geguckt werden. Er ist angekommen, wenn auch nicht wirklich in Neuseeland. Nebenbei ist Jörg Olewski auf der Suche nach ›Kooperationspartnern‹. Er ist nicht nur mit einem Privatsender wegen der Auswanderer-Doku im Gespräch, sondern auch mit einer sächsischen Brauerei. Jägi, so gehen die Gerüchte, eröffnet ein deutsches Bierlokal.
Alle paar Tage schickt mir Eva eine E-Mail aus Köln.
So was Unerfreuliches wie die Passkontrolle in Frankfurt hat sie schon lange nicht mehr erlebt. Jetlag ›sucks‹. Fühlt sich an wie schwere Grippe mit Kater. Der Tag ist ab mittags gelaufen, wenn man um drei Uhr früh aufwacht. Niemand grüßt einen auf der Straße. Auf der Hochzeit hat sie die halbe Nacht getanzt und ist noch ganz beseelt. Ihre Mutter hat sie sehr vermisst. Beim Bäcker wollte sie heute Mehrkornbrötchen kaufen. Die Verkäuferin hat sie zurechtgewiesen: ›Sie meinen wohl Dinkelsesam!‹ Sie ist diesen Ton nicht mehr gewohnt. Dass jeder es einem unter die Nase reibt, wenn man sich geirrt hat. All das Gedrängel an der Kasse. So aggressiv. Sie wird Tante, hurra! Alle trinken jetzt Bionade. Ihre Freunde haben keine Vorstellung von ihrem Leben. Sie wissen nicht, was sie sie fragen sollen. Von Neuseeland wissen sie nur: soll schön sein, Schafe, Herr der Ringe. Es gibt so viel verschiedenes Gemüse, egal zu welcher Jahreszeit. Sie ist ständig im Biosupermarkt. Er ist so riesig. All der Käse und die Wurstsorten. Sie ist nicht mehr Vegetarierin und muss in letzter Zeit sehr oft an Haki denken. Vielleicht könnte er mal als Motivationstrainer in Deutschland arbeiten? An die Pünktlichkeit muss sie sich wieder gewöhnen. Alle reden ständig über ihre Arbeit. Alle haben Stress. Es gibt so viele Zeitschriften. Aber die Promis, die sagen ihr nichts mehr. Ob ich weiß, wer Lilly Kerssenberg ist? Und Gina Wild heißt jetzt Michaela Schaffrath. Kinderfeindlich sind die Deutschen, jetzt fällt ihr das auf, und gleichzeitig aber so viel Kult ums Kind. All die alten Häuser sind so schön. Das Kopfsteinpflaster, das Historische. Sie könnte jeden Abend auf eine Veranstaltung gehen. Das Kulturangebot. Alle jammern wegen der Krise. Endlich wieder H&M. Sie hat sich für ein ganzes Jahr eingedeckt. Bei Ikea war sie auch, aus Nostalgie. Das Design dort kommt ihr jetzt sehr edel vor, war das früher auch so, oder liegt das an Christchurch? Takaka will gerne barfuß laufen wie zu Hause in Sumner. Alle sind so pingelig mit Schuhen und Socken, und Regen fürchten sie auch. Es tut so gut, wieder richtig zu diskutieren. Sie war auf einem Fest, wo sich zehn Leute den Kopf über Afghanistan heißgeredet haben. Ob ich mir das in Christchurch vorstellen kann. Überall hängen Schilder. Verbote, Hinweise, Verordnungen. So viele falsche Apostrophe: Rambo’s Kicker-Treff, Herta’s Waschsalon, Mehtin’s Dönerbude. Aber dann Dr. Müller Sexshop. Sie ist das alles nicht mehr gewohnt, Beate Uhse in jeder Fußgängerzone. Alle fragen sie, ob sie nun für immer in Neuseeland bleibt. Der Strand fehlt ihr. Und der Himmel und die Weite. Das andere Licht. Bei uns würde es doch jetzt wärmer, oder? Ob ich schon surfen war? Gummibärchen sind doch besser als Milk Bottles. Sie bringt fünf Tüten mit, falls sie nicht Übergepäck hat. Ihr graut vor dem langen Rückflug. Takaka hat beim Abschied geweint. Die Oma auch. Fünf Stunden hängen sie jetzt noch in Los Angeles fest. In der Ersten Klasse saß Pamela Anderson. Die fliegt als Stargast zur Fashion Week nach Auckland. Wie peinlich, dass die Kiwis nichts Besseres aus Hollywood kriegen konnten, aber sie sind wohl zu unwichtig. Ob ich noch was vom Duty-Free-Shop brauche? Es gibt Compact-Puder mit Lichtschutzfaktor 30 im Angebot.
Auch von Evas zukünftigem Exmann kommt Post. Die Karte ist mit Edelweißmotiven verziert.
Ich gebe die Webseite ein. Ein
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