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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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paar Stunden einen einminütigen Telefonbericht, der den neuesten Stand aus Apia und Auckland zusammenfasst. In der knappen Zeit muss ein Hauch von Hularöcken und Stammestänzen ins kalte Europa herüberwehen. Da hilft es ungemein, wenn gute alte Eurozentristen in den Redaktionen geografische Verniedlichungen verwenden. Weil es wohl zu lange dauern würde, den Zuschauern zu erklären, dass es Staaten mit richtigen Ländernamen im Südpazifik gibt, spricht man bei deutschen Sendern am liebsten nur von »den Samoa-Inseln«, genauso wie von den »Fidschi-Inseln«. Das klingt so schön nach Pippi Langstrumpf in Taka-Tuka-Land. Dass es sich um verschiedene Staaten handelt – American Samoa, das zu den USA gehört, das eigenständige Samoa und die ebenfalls unabhängige Republik Fidschi –, verwirrt nur unnötig. Vielleicht sollten Fernsehmoderatoren der Einfachheit halber in Zukunft auch nur noch von »den deutschen Ländern« sprechen, wenn sie Österreich, Schweiz und die Bundesrepublik meinen. Klingt doch viel netter. Und es gibt noch Winkel der Erde, wo man das ganze Germanenvolk eh nicht so richtig auseinanderhalten kann. Frag mal einen Österreicher. »I come from Austria.« – »What, Australia?«
    Ich werde immer dünnhäutiger. Verziehen sei den Kollegen, die die Mitarbeiterin aus Christchurch ankündigen und die erste Silbe der Stadt wie Christkind aussprechen statt wie ›kreist‹. Geschenkt. Die korrekte Aussprache von Arkansas und Edinburgh hat ja auch nicht jeder drauf. Was jedoch schmerzt: Unsere Frau im TV ist stets »auf Neuseeland«. Auf, jawohl, nicht in. Genauso wie auf Malle, auf Maloche, auf dem Klo. Neuseeland ist groß und besteht aus zwei Inseln. Aber in der deutschen Wahrnehmung ist es ein winziges Fleckchen im Meer, ähnlich wie Lummerland. Ist schon mal jemand auf Irland, auf Japan oder auf Island gewesen? Na also. Merke: Auch weit entfernte Länder verdienen ein »in«. Alles andere kränkt.
                
    Mein Handy klingelt, als ich mit Lukas ins Auto steige.
    »Anke! Kia ora!« Es klingt wie – »Ich bin’s, Haki Waiomio!«
    Seine Stimme habe ich das letzte Mal gehört, als wir Abschiedslieder unter den Bäumen von Northland sangen. Daran erinnert sie mich jetzt, so satt, rund und rauchig. An das Gemeinschaftsleben zwischen Aalfang, Süßkartoffelschälen und Geschichten rund ums Feuer.
    »Wie geht’s, Anke, alles gut da unten bei euch?« Er lacht. »Hältst du es noch aus mit all den Weißhäuten?«
    »Alles bestens, Haki. Bin gerade auf dem Weg zu einem Oktoberfest. Das erste Mal in meinem Leben.«
    Ich verziehe das Gesicht, aber das kann Haki durchs Handy nicht sehen.
    »Ha – Munich Hofbräuhaus! Da wollte ich immer schon mal hin. Trägst du so ein schönes Kleid, na wie heißt das … ein Dirndl?«
    »Nein! Auf keinen Fall!« Ich stöhne gequält auf.
    Lukas, der fährt, schaut mich von der Seite an.
    »Ich bin da nur, äh, undercover. Aus Neugier. Man muss den Feind kennen.«
    »Wieso Feind? Sorry, verstehe ich nicht.« Er lacht wieder. »Aber warum ich anrufe, Anke – ich sitze hier gerade mit meinem neuen Business Partner , Steve.«
    Er stellt das Handy auf laut.
    »Hi, Anke!«
    »Hi, Steve.«
    Haki schlägt einen verschwörerischen Ton an.
    »Wir haben was ganz Tolles für dich.«
    »Lass hören.«
    Vielleicht gibt es einen Fortgeschrittenenkurs auf dem Marae für bikulturell übersensibilisierte Pakeha mit Migrationshintergrund und nationalem Identitätskonflikt? Ich werde mich sofort anmelden.
    »Wir dachten uns, Anke, dass diese neue Mobilfunkfirma für dich als Journalistin interessant sein könnte. CellTel hat die besten Konditionen und –«
    »CellTel?«
    »Ja, die sind den anderen Anbietern wie Telecom oder Vodafone weit überlegen. Wenn du die Prepaid-Konditionen erfährst, dann wirst du keinen Moment –«
    »Äh, Haki, ich brauche nichts. Habe ich alles schon. Aber danke.«
    »Hör zu, Anke, whakarongo: Diesen Monat haben wir ein einmaliges Einführungsspecial. Den Dreijahresvertrag kannst du direkt über mich abschließen, kein Problem. Und Geld-zurück-Garantie, wenn du zehn weitere Interessenten findest.«
    »Haki, ehrlich, ich –«
    »Denk drüber nach. Das ist deine Chance. Wir wollen das Produkt demnächst global ausweiten, richtig, Steve? Du kannst davon profitieren. Ich dachte, das ist vielleicht auch was für diesen Laden da in Deutschland, diesen Pilatesshop.«
    »Was – den Biosupermarkt? In Köln?«
    »Ja. Die mögen doch

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