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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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blauweiß karierter Hintergrund mit schwarz-rot-goldenem Rand und vielen Fotos von Wursttellern und Bierkrügen. Darunter eine Aufforderung zum ›beer stein‹-Wettbewerb. ›Stein‹ ist eine Maß. Was man nicht alles lernt.
    ›In Australien hat der Wirt Reinhard Wurtz am 15. November 2007 den Weltrekord im Tragen der meisten Ein-Liter-Maße Bier über 40 Meter gewonnen‹, lese ich. ›Er schaffte es mit 20 auf einen Streich ins Guinness Buch der Rekorde. Davor hat die bayerische Kellnerin Anita Schwartz diesen Weltrekord mit 16 Maß gehalten. Wir deutschen Kiwis werden sie übertrumpfen! Wirt Jägi von Jägi’s Brauhaus zeigt diesen Monat allen, was in seinen Armen steckt. Schaut vorbei und trinkt noch einen mit!‹
    Ich klicke den Podcast an. Jägi in alpenländischer Aufmachung. Er krempelt den rotweiß karierten Hemdärmel hoch, ballt die Faust und lässt die Muskeln spielen.
    »Grüß Gott«, spricht er in die Kamera und tippt sich an den Tirolerhut. »In Hamburg, wi häff sä Hämbörger, in Frankfurt, wi häff sä Fränkförter, änd in Bawaria, wi häff sä Bawariän … haha, no, sä Schnitzel! Sä Schnitzel is wäri gut.« Er zieht einen Teller vor die Kamera, auf dem ein Stück paniertes Fleisch liegt. Daneben dampft ein Berg Sauerkraut. »Wer in ›Jägi’s Brauhaus‹ seinen Teller aufisst, bekommt von mir einen Schnaps spendiert, jawohl!« Er greift nach einem Klaren, prostet in die Kamera und kippt ihn weg. »Aaaah … sis is sä German Gemütlichkeit!«
    Ich klemme Jägis Karte an den Kühlschrank hinter das Programm fürs Filmfestival des Goethe-Instituts. Zwanzig Jahre Mauerfall ist das Thema, Regisseur Andreas Dresen wird im November kommen. Sis is sä German Gemütlichkeit, oh yeah.
    Haki meldet sich wieder. Aber diesmal ist es keine Sammelmail an alle.
    ›Kia ora Anke,
    Danke für das Essay über nationale Identität. Es ist ziemlich lang. Du solltest ein Buch schreiben.
    Vielleicht sehen wir uns alle in Germany wieder? Maori-Kultur finden sie dort gut, seit Whale Rider im Kino lief. Ich muss mal irgendwann raus. Deine Freundin hat sich in Cologne nach einem Job für mich umgesehen. Ein großer Supermarkt (?) hat Interesse. Sie bieten dort auch Pilates und Nordic Walking an. Ist das eine überlieferte Tradition, wie bei uns kapa haka? Leider sind die Flüge nach Europa sehr teuer. Ich werde wohl funding beantragen.
    Der Sturm vor zwei Wochen hat unser Boot und den Außenborder zerstört. Da freuen sich die Fische: endlich Ruhe!
    Ka kite
    Haki
    Das Auge des Aalfängers schläft, das Gesicht des Wächters ist wach.‹
    Auch Ditze will wieder was.
    ›Hallo Frau Richter, wir bauen wie angekündigt unser Mitarbeiternetz aus und hätten daher gerne zwei Portraitfotos von Ihnen für evtl. Liveschaltungen. Ein ernstes und ein fröhlicheres, je nach Thema. Verraten Sie uns noch mal, wann Sie telefonisch gut erreichbar sind.
    Gruß aus Berlin, D. Sägel
    PS – kurze Frage zur Reiseplanung: Können Sie mir einen Kontakt zu der Bungee-Firma da unten (PS Hackett) bauen, wg. Gratis-Sprung? Diese Typen sind doch alle scharf auf Presse. Ein paar Weinproben müssten sich auch in der Gegend arrangieren lassen, wenn Sie den Sender erwähnen. Im Napa Valley funktioniert das immer wie am Schnürchen. Schwimmen mit Delfinen – stelle ich mir ganz witzig vor, bitte ebenfalls checken. Entscheide ich aber erst vor Ort. Braucht man Impfungen?‹
                
    Das ernste Mitarbeiterfoto für Ditzes Sendung kommt zuerst zum Einsatz. Endlich passiert mal was in meiner Region, das auch den Rest der Welt interessiert. Etwas, das wirklich den Namen Nachricht verdient, auch wenn es eine traurige ist. Um 6.48 Uhr in der Früh bebt unterm Pazifik vor der Küste Samoas die Erde. Für die Südsee und Neuseeland herrscht Tsunami-Alarm. Die schlimmsten Wellen treffen Samoa und American Samoa, zerstören ganze Dörfer, reißen Boote, Autos und Menschen hinaus ins Meer. Die Bilanz: 189 Tote und eine schreckliche Verwüstung, die Erinnerungen an den Boxing Day Tsunami hervorruft. Neuseeland dagegen wird verschont. Und zwar so sehr verschont, dass die Situation zur Farce wird: leergefegte Strände, über denen Helikopter der Küstenwache kreisen, Leute mit Fernstechern auf allen Aussichtspunkten, evakuierte Strandhäuser – und dann: nichts. Ein stärkerer Tidenhub im Hafen von Lyttelton ist alles.
    Dennoch klingelt bei mir pausenlos das Telefon. Nicht nur Sägels Sender, auch andere Redaktionen wollen alle

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