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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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kann, und kichern, wenn ich mit halb abgewinkelten Armen danach springe. Herzlose Brut. Vielleicht sollte ich schießen lernen. Das ist der älteste offiziell anerkannte Sport in Neuseeland. Außerdem könnte ich dann als Heckenschützin ein paar Elstern erledigen.
    Judy, meine Nachbarin mit Heilkraft, massiert meine wehen Muskeln. Es duftet nach Pfefferminzöl. Wunderbar macht sie das. Tut auch fast nicht weh.
    »Aua!«
    »Erst mal genug vom Sport?«, fragt Judy und streicht sanft meine Arme aus. Hoffentlich kommen bald die Füße dran.
    »Mmmh«, murmele ich ins gepolsterte Kopfteil der Massagebank. »Nächste Woche ist doch das Fahrradrennen nach Akaroa. 85 Kilometer. ›Le Race‹.«
    Akaroa ist das französischste Städtchen der Südhalbkugel. Es ist bezaubernd, es liegt wunderschön am Wasser inmitten der Banks Peninsula, es hat Stil und Charme und ist der Sitz von Ökohöfen und Künstlerpensionen. Da das Dorf jedoch einst französische Siedler beheimatete, sieht es sich bis heute als Bastion des Savoir Vivre. Was sich darin niederschlägt, dass jede Straße eine Rue ist, jeder Laden eine Boutique und das beste Restaurant am Orte ›C’est la vie‹ heißt, obwohl es Deutschen gehört. Französisch wird in Akaroa ungefähr so viel gesprochen wie Kantonesisch. Eigentlich noch seltener, denn immer mehr chinesische Touristen verirren sich in die putzige Pseudo-Provence, auch wenn’s da keine Froschschenkel gibt.
    »Weißt du, dass ich in Akaroa zur Schule gegangen bin?«, fragt Judy und beginnt meine Beine zu kneten. »Zuerst auf eine Zwergschule in Le Bons Bay. Wir haben auf der Banks Peninsula gelebt, nachdem meine Eltern aus Holland hierherkamen.«
    Judy ist ein Auswandererkind der Siebzigerjahre. Ihre Eltern suchten sich einen der lieblichsten Plätze der Welt aus, um die Zivilisation der Niederlande hinter sich zu lassen. Auf der Banks Peninsula rollen grüne Hügel in verschwiegenen Buchten sanft gen Meer. Schafe weiden, Delfine tummeln sich in der Brandung. Öffnet man die Holztür eines Farmhauses, duftet es nach Wolle, Lavendel und Selbstgebackenem. So schön ist es dort, dass man am liebsten sofort nach Neuseeland auswandern würde, wenn man es nicht schon längst getan hätte.
    »Meine Eltern waren die ersten und einzigen Ökos weit und breit«, erzählt Judy, während sie meinen Rücken bearbeitet. Judith, wie sie damals noch hieß, ritt morgens nach dem Ziegenmelken auf einem Pferd zur Schule. Es gab weder Strom noch Fernseher in ihrem Cottage, dafür Blockflöte satt. Die Mutter spann Wolle und buk dunkles Brot, was die Käskoppkinder unter den Bauernkids unweigerlich zu Außenseitern machte.
    »Ich wurde ständig gehänselt. Unsere kratzigen Pullis, was wir aßen, und dann noch der komische Akzent meiner Eltern. Ich wollte einfach nur normal sein. So wie alle.«
    Der Vater glaubte, dass man von der Chlorbleiche im Klopapier Darmkrebs bekäme. Deshalb wurden große Rollen braunes pergamentähnliches Papier angeschafft, auf einer Seite rau, auf der anderen beschichtet. Judy musste daraus Quadrate schneiden. Damit wickelte sie die Schulbrote ein und wischte sich den Hintern ab, was gar nicht so einfach war, weil die Griffigkeit fehlte. Die Finger stießen manchmal durchs Papier. Sie demonstriert es mir an meinen Schultern.
    »Aua!«
    »Am schlimmsten war es, wenn jemand zum Spielen kam und mich gefragt hat, wo denn im Bad das Klopapier sei. Ich musste dann auf die Kiste mit den braunen Quadraten zeigen. Oje.«
    Ihr Vater haute eines Tages ab, um eine Urschreitherapie zu beginnen. Zog sich den Rucksack an und stapfte das Tal hoch, ohne Kinder, Ziege und Pferd noch eines Blickes zu würdigen. Sobald er verschwunden war, kaufte die Mutter frisches Klopapier. Weiß, weich und zart nach Chemie duftend. Ein revolutionärer Akt.
    »Und trotzdem bist du Hippie geblieben«, nuschle ich mit dem Gesicht nach unten. »Irgendwas müssen deine Eltern richtig gemacht haben.«
    Aus Rache zwickt sie mich in den Oberschenkel.
    »Kriegst langsam Cellulitis, was?« Sie nimmt sich endlich meine Füße vor. »Du glaubst gar nicht, wie neuseeländisch ich geworden bin, weil ich holländische Eltern habe. Durch und durch Kiwi. Das wird deinen Söhnen auch noch so gehen.«
    Claude habe ich gar nicht erst gefragt, ob sie mit zum Fahrradrennen kommt. Sie ist mit ihrem Münchner Kindl beschäftigt. Lukas muss mit Otto zu einer Karateprüfung. Aber Eva und Jakob begleiten mich ins benachbarte Frankreich, damit ich etwas

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