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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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ist. Irgendeine Geschichte – zur Not »Sonja adoptiert Lamm« – werden die beiden schon aushecken.
    Über Steine rumpelnd geht es durch einen Goldgräberfluss. Wasser spritzt durchs offene Jeepfenster, Sonja Halverstamm jauchzt. Die Brille der Fahrerin ist verspiegelt. Sie zeigt uns die Brücke über dem Kawaraufluss, von der sich seit über zwanzig Jahren Bungeespringer wie Lemminge in die Tiefe werfen.
    »Da liegen viele Autoschlüssel im Fluss«, sagt die Frau am Steuer trocken.
    »Wie gefährlich ist das?«, will Lebenstouristin Halverstamm wissen.
    Die Fahrerin zeigt auf ein doppelstöckiges Wohnmobil, das mitten auf der Brücke zum Gucken angehalten hat.
    » Das ist gefährlich. Wenn jetzt ein Laster kommt, dann kracht es.«
    Unsere Fremdenführerin in Safarikluft ist ein wandelndes Filmlexikon, Schwerpunkt Hobbits. Ihr Auto trägt den Namen Frodo. Alle paar Kilometer hält sie an einem Felsen oder zeigt auf einen Berghang. Sie hält ein Foto einer Filmszene hoch, erzählt von Lothlorien und Isengard, und durch den Jeep weht ein Hauch von Hollywood. Da sind die deutschen Serienstars ganz stumm. Wird jemals ein Tourist hoch überm See stehen und andächtig auf das Stück Gras schauen, wo Dennis Lärche heute mit dramatischer Geste seinen grünen Gummihandschuh hinwarf? Für alle Fans sei die Stelle verraten: auf halber Strecke nach Glenorchy bei Mount Creighton abbiegen, übers Gatter hinüber und dann immer den Schafen nach.
    Wir treffen uns alle zum Essen im High Country Club. Der altmodische Name passt nicht zum hellen Innenleben, das die Natur vor der Tür reflektiert. Die Stühle sind aus Leder und Rimu, die Wände aus rohen Felsbrocken gemauert. Ein Drachen aus Flachsgeflecht – ein altes Maori-Symbol – hängt über dem Kamin. Der besteht aus einer in Stein gefassten Ritze, in der Gasflammen über weißen Flusskieseln zucken.
    Die Hälfte des Lokals ist von der Filmcrew bevölkert. Der Regisseur sitzt neben Sonja Halverstamm am Tisch. Sie legt den Lockenkopf neckisch auf seine Schulter, während der Graumelierte seine Lesebrille aufsetzt und die Weinkarte studiert.
    »Bestellst du mir was Schönes, Hagen?«
    Dabei lächelt sie Dietmar Sägel an, der ihr gegenüber am Tischende sitzt, neben sich die frisch dem Hotel-Spa entstiegene Tamara. Sonja schaut zu Dietmar hin, er schaut sie betont nicht an, aber Tamara starrt feindselig auf Sonja. Sägels Bierglas ist bereits leer.
    Ich setze mich auf den freien Platz neben ihn.
    »Wo bleibt denn die Bedienung?«, mosert er. »Von Service keine Spur in dem Laden.«
    Tamara pflichtet ihrem Hasen bei.
    »Wenn nicht gleich was passiert, dann gehe ich um die Ecke zu McDonald’s, ganz ehrlich!«
    So, wie sie die Augen verdreht, handelt es sich dabei um die größtmöglich vorstellbare Zumutung. Dabei macht sie ein ›Ich hab’s doch immer gewusst‹-Gesicht. Den Ausdruck habe ich so lange nicht mehr gesehen wie den Kölner Dom. Es gibt ihn auch in der Variante ›rechtschaffene Empörung, mit Mühe unterdrückt‹ und ›wenn das alle täten‹. Praktiziert wird er gerne in der Schlange bei Aldi oder vor roten Ampeln in Hamburg, die eine anarchistische Fußgängerin aus dem Süden einfach ignoriert.
    Die Jungschauspieler albern miteinander und reichen einem Laptop mit Fotos herum. Dennis Lärche beim Fallschirmspringen. Dennis Lärche in einem Schwefelbad in Rotorua. Dennis Lärche mit Daniel Carter von den All Blacks. »Geile Bilder, was?« Nur Face 2000 zeigt kein Interesse, sondern hantiert mit seinem iPod. Die Kellnerin naht.
    »One more beer for me«, ruft ihr Sägel entgegen.
    »Please«, murmele ich stumm in mich hinein. »Please, please, please.«
    Er tippt auf die Karte.
    »And food!«
    War wieder nichts mit dem Zauberwort. Aber beruhigend ist, dass der Mann nicht nur Alkohol zu sich nimmt. Die Kellnerin scheint den herrischen Ton nicht zu bemerken. Sie ist deutsche Touristen gewohnt. An den Nachbartischen hat sich eine ganze Busladung niedergelassen. Auf dem Weg ins Restaurant sah ich sie umständlich aus dem Newman’s Coach klettern – beige, lindgrün und betagt. Ihre Einheitskluft – teure Wanderschuhe und Wetterjacken von Berghaus und Schöffel – tragen sie immer schon im Flugzeug, damit kein Übergepäck anfällt. Das, und verloren gehendes Gepäck, Schmutz und Regen sind die größten Phobien der deutschen Rundreisenden über 60. Das weiß ich von Evas Freundin Stefanie, die solche Truppen durchs Land lotst. Danach braucht sie immer

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