Was sich kusst das liebt sich
aber nachdem sie stundenlang über ihre Designerhandtaschen und ihre Solariumbräune gequatscht haben, kannst du sie ja ein bisschen unterhalten, indem du ihnen erzählst, was für ein toller Lover ich bin.«
» Darüber sind sie bereits bestens im Bild«, ätzte Neve. Sie hatte nicht geplant, einen Streit mit Max vom Zaun zu brechen, aber ihre am Vorabend gefassten guten Vorsätze schwanden rapide dahin, und außerdem war es die ideale Möglichkeit, um sich von dem Gedanken an die bevorstehenden Qualen abzulenken. » Eure gemeinsame Freundin Shelly dürfte sie über die wichtigsten Punkte informiert haben.«
» Ach, darum geht es also? Ich war nie mit Shelly zusammen.«
» Da habe ich aber etwas anderes gehört.« Ihre Stimme triefte vor Herablassung. Sie hatte sich die halbe Nacht damit um die Ohren geschlagen, an Shelly zu denken. Viel wusste sie nicht über sie: Shelly hatte mit Max und zwei Fußballstars geschlafen, sie sah laut Kelly McIntyre absolut umwerfend aus, und sie hatte kein Problem damit, ihr Liebesleben vor den Lesern der Sonntagszeitungen auszubreiten.
Ein ziemlich vernichtendes Urteil, gewiss, und den Rest konnte sich Neve nur zu gut vorstellen. Shelly entsprach zweifelsohne dem Spielerfrauen-Stereotyp: langbeinig, großbusig, glänzende blonde Mähne und ein orangefarbener Teint, der am besten in superknappen Minikleidern, gepaart mit hässlichen, klobigen High Heels, zur Geltung kam.
Kurz gesagt, das genaue Gegenteil von Neve, und das war schon demütigend genug. Aber ausgerechent von diesen gemeinen Tussen zu erfahren, dass Max mit Shelly geschlafen hatte, das war der Gipfel der Demütigung gewesen.
» Wenn Shelly der Mädchentyp ist, den du bevorzugst, dann hat es wohl nicht viel Sinn, unsere kleine Scharade fortzusetzen«, stellte sie kühl fest. » Ich könnte es nicht ertragen zu wissen, dass du dir die ganze Zeit, die du mit mir verbringst, nur wünschst, du wärst mit einem anderen Mädchen zusam…«
» Also, du hast ja echt Nerven!« So aufgebracht hatte sie Max noch nie erlebt, und es gefiel ihr ganz und gar nicht. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut, seine Augen funkelten bedrohlich. » Du scheinst vergessen zu haben, dass wir ›diese kleine Scharade‹ nur veranstalten, weil du irgendeinen Typen liebst, der am anderen Ende der Welt lebt! Wenn ich dich nicht auf deine Zukunft anspreche, warum sprichst du mich dann auf meine Vergangenheit an, hm?«
» Naja, weil… Du hättest mir sagen sollen, dass du mit einer von Mandys Freundinnen im Bett warst«, tobte Neve. » Es war total erniedrigend.« Sie hatte angenommen, dass es ein einseitiger Streit werden würde, in dem sie all ihren Frust an Max abreagierte, während er schweigend danebensaß. Was für ein Trugschluss. Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass es nicht so laufen würde. Er starrte sie wutentbrannt an, und sie konnte seinen Zorn fast körperlich spüren.
» Wahrscheinlich auch nicht erniedrigender als es für mich ist, zu wissen, dass du all die kleinen Tricks und Kniffe, die du aus dem Internet hast, nur an mir übst, damit du sie perfekt beherrschst, wenn Mr California zurückkommt.« Neve wich erschrocken zurück, als sich Max zu ihr herüberlehnte, aber er öffnete nur die Beifahrertür. » Steig aus.«
» Du hast nun wirklich nicht das Recht, hier den Moralapostel zu spielen…«
» Ich wollte dir eigentlich noch sagen, du sollst mich anrufen, wenn ich dich abholen soll, und sei es schon nach einer Stunde. Aber weißt du was, Süße? Ruf dir ein Taxi.«
Neve öffnete mit zitternden Fingern den Sicherheitsgurt und kletterte aus dem Mini. » Ich müsste dich nicht auf deine Vergangenheit anreden, wenn du bei der Wahl deiner Sexpartner etwas wählerischer gewesen wärst«, fauchte sie und knallte die Tür zu, so fest, dass sie die Schwingungen bis in den Oberarm spürte.
Max ließ den Motor an und legte einen Kavaliersstart hin, bei dem der Kies nur so spritzte, und Neve, die sich nicht rasch genug weggedreht hatte, wurde von ein, zwei Kieselsteinen im Gesicht getroffen. Die Gangschaltung knirschte, dann schoss der Wagen aus der Einfahrt auf die Straße und wäre dabei beinahe mit einem entgegenkommenden Van kollidiert.
Neve fühlte sich kein bisschen besser. Sie war verärgert, verunsichert und verängstigt, und sie rechnete so halb damit, dass Max zurückkommen und mit ihr zum Bahnhof fahren würde, um sie in den nächsten Zug nach London zu setzen.
Aber er kam nicht zurück. Der Van hatte neben ihr
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