Was sich kusst das liebt sich
Ach, ja?«, fragte er. » So etwas macht man, wenn man in einer Beziehung lebt?«
» Nun, du hast diesbezüglich garantiert mehr Erfahrung als ich«, sagte Neve brüsk und setzte sich aufrecht hin, um den Anschein zu erwecken, dass sie alles unter Kontrolle hatte.
Max verzog das Gesicht. » Wie du vielleicht weißt, meidet Mariah Carey Treppen…« Neve schüttelte den Kopf, doch Max schien es nicht zu bemerken. » Tja, und ich meide Beziehungen. Ich sehe einfach keinen Sinn darin, nur mit einer einzigen Frau zusammen zu sein und nur mit ihr Sex zu haben. Dafür bin ich viel zu jung und viel zu attraktiv.«
» Du bist echt unglaublich«, schnaubte Neve, aber sie kam nicht umhin, sich über ihn zu amüsieren und auch ein bisschen neidisch zu sein. Wie schön das Leben doch sein musste, wenn man so aussah wie Max! » Ich erwarte nicht, dass du es verstehst. Ich möchte einfach mal sehen, wie eine Beziehung funktioniert und in welchen Bereichen ich noch an mir arbeiten muss.« Das klang besser. Sachlicher.
» Ah, ja.« Max verzog keine Miene, aber seine Augen funkelten belustigt. » Und, gibt es schon potenzielle Kandidaten?«
» Na ja, noch nicht, ich bin ja erst in der Planungsphase.« Neve bedachte ihn mit einem grimmigen Blick. » Die Sonntagnachmittagsgeschichten werden mit William kein Problem darstellen, aber ich muss mir ein paar Basics aneignen. Ich muss lernen, was man bei einer Verabredung sagt und tut, und, na ja, und ich habe noch nie das Bett mit einem Mann geteilt. Wie legt man zum Beispiel fest, wer auf welcher Seite schläft, und wann das Licht ausgeschaltet wird, und wer mit dem alten Kissen vorliebnehmen muss?« Neve wusste nicht recht, wieso sie immer weiterredete, denn je mehr sie versuchte, ihre nebulösen Vorstellungen von einer Beziehung vor Max zu rechtfertigen, desto nebulöser und unerreichbar klangen sie.
» Kann ich mich auf die Liste setzen lassen?« Max schob sein leeres Glas von sich und spähte hoffnungsvoll zur Tür, als erwarte er, dass ihm Bridie jeden Augenblick noch ein Stella bringen würde. » Hast du überhaupt eine Liste?«
» Was denn für eine Liste? Ich habe keine Liste! Ach, du nimmst mich nicht ernst.« Neve zog den Saum der hochgerutschten Tunika über ihre breiten Oberschenkel. » Und hast du nicht gerade gesagt, dass du dich weigerst, Beziehungen zu führen?«
» Stimmt, aber dein kleines Projekt klingt irgendwie unterhaltsam. Und da du ohnehin keinen Sex willst, ist es dir ja sicher auch egal, wenn ich mich mit anderen Frauen vergnüge.« Er senkte die Augenlider. » Ich habe nämlich gewisse Bedürfnisse.«
Wieso machte sie sich eigentlich die Mühe, Max die dunkelsten, geheimsten Seiten ihrer Seele zu offenbaren? Warum war sie hierhergekommen? Ganz sicher nicht, um sich beleidigen zu lassen. Sie hätte es sich längst mit einer leckeren selbst gekochten Gemüsesuppe und der aktuellen Ausgabe der London Review of Books auf ihrem Sofa gemütlich machen können. Sie erhob sich und streckte Max die Hand hin. » Es war nett, dich wiederzusehen, aber jetzt muss ich wirklich gehen.«
» Ach, nun sei doch nicht so.« Max ergriff ihre Hand, aber nur, um ihre Fingerknöchel zu streicheln. » Du musst echt aufhören, alles immer gleich persönlich zu nehmen. Das ist doch bestimmt total anstrengend.«
» Tschüss«, fauchte Neve und entzog ihm ihre Hand. Sie sammelte ihre Siebensachen ein und verfluchte den Winter, denn es war schlicht unmöglich, sich rasch aus dem Staub zu machen, wenn man erst Mantel, Schal, Mütze und Handschuhe anziehen musste. » Bestell Bridie einen Gruß von mir, sie soll deine Getränke auf die Slater-Rechnung setzen«, fügte sie hinzu, denn Max sollte auf keinen Fall schlecht von ihr denken. Oder jedenfalls nicht noch schlechter.
» Du willst dich wirklich nicht mehr mit mir treffen? Um Erfahrungen auszutauschen?« Neve konnte sich seine Hartnäckigkeit beim besten Willen nicht erklären. Hatte sie sich nicht klipp und klar ausgedrückt?
» Dazu müsste ich erst einmal welche machen«, knurrte Neve, und es kam ihr so vor, als würde es auch nie so weit kommen. Sie würde Abend für Abend in Socken durch ihre Wohnung schleichen, und der Fernseher würde so leise laufen, dass sie kaum etwas verstehen konnte und am Ende keine andere Wahl hatte, als die Nase wieder in eines ihrer Bücher zu stecken, in denen sich andere Mädchen ver- und entliebten. Nur sie nicht. Niemals. Sie starrte auf ihre abgewetzten Stiefelspitzen und fühlte sich
Weitere Kostenlose Bücher